Die gem. §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 64 Abs. 1 und 2, 352 FamFG statthafte und auch i.Ü. zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat in der Sache insoweit Erfolg, als die Kosten der Beweisaufnahme und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten gegeneinander aufzuheben sind. I.Ü. ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Eine nach § 81 Abs. 1 und 2 FamFG vom AG getroffene Ermessensentscheidung bezüglich der Verfahrenskosten ist nach allgemeiner Meinung (z.B. Kroiß, ZEV 2016, 619, 621 m.N.) und std. Rspr. des Senats (FGPrax 2016, 47 m.N.) nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Beschwerdegericht zugänglich. Sie beschränkt sich grds. auf die Frage, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Der Sinn des Ermessens würde nämlich verfehlt, wenn das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet wäre, ein vom erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Die erstinstanzliche Entscheidung wird daher nur auf etwaige Ermessensfehler in Form eines Ermessensnichtgebrauchs, eines Ermessensfehlgebrauchs oder einer Ermessensüberschreitung überprüft. Nur im Falle des Vorliegens eines derartigen Ermessensfehlers ist das Beschwerdegericht berechtigt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens des erstinstanzlichen Gerichts zu setzen.
Hier hat das Nachlassgericht sowohl in dem angefochtenen Beschluss als auch in seiner Nichtabhilfe-Entscheidung von seinem Ermessen keinen (ordnungsgemäßen) Gebrauch gemacht, sondern bei der Kostenentscheidung ausschließlich auf das Maß von Obsiegen und Unterliegen abgestellt.
Das ist ermessensfehlerhaft, so dass der Senat eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen hat.
Bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung in Erbscheinsverfahren gem. § 81 Abs. 1 FamFG sind sämtliche in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Hierbei kann – ohne Anwendung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses – neben anderen Umständen auch das Obsiegen und Unterliegen berücksichtigt werden. Dem Sinn und Zweck des § 81 Abs. 1 FamFG unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte entspricht es, wenn das Gericht in seine Ermessensentscheidung sämtliche in Betracht kommenden Umstände einbezieht. Hierzu zählen neben dem Maß des Obsiegens und Unterliegens etwa die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die familiäre und persönliche Nähe zwischen Erblasser und Verfahrensbeteiligten, etc. Im Rahmen dieser umfassenden Abwägung kann auch aus der Aufzählung der Regelbeispiele für eine Kostenauferlegung in § 81 Abs. 2 FamFG nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass in allen übrigen Fällen eine Kostenauferlegung nicht gleichwohl der Billigkeit entspräche. § 81 Abs. 2 FamFG soll dem Gericht lediglich die Möglichkeit eröffnen, die pflichtwidrige Einleitung von Verfahren sowie Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten der Beteiligten negativ zu sanktionieren. I.Ü. bleibt es bei der umfassenden Abwägung im Rahmen von § 81 Abs. 1 FamFG (BGH NJW-RR 2016, 200; dem hat sich der Senat unter Aufgabe seiner vorherigen Rspr. zwischenzeitlich angeschlossen).
Unter Berücksichtigung der maßgebenden Kriterien entspricht es im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung billigem Ermessen, dass die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten und die Kosten der Beweisaufnahme gegeneinander aufgehoben werden.
Zwar hat der Beteiligte zu 2) im Ergebnis mit seinem Erbscheinsantrag Erfolg. Allerdings ist das Nachlassgericht erst nach Durchführung einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen, die Bestätigung des Erbvertrages durch die Erblasserin mit Schreiben vom 4.3.2008 sei wirksam und habe die Erblasserin an einer Anfechtung des Erbvertrages mit dem Beteiligten zu 2 gehindert. Im Rahmen der Ermessensentscheidung kann weiter nicht außer Betracht bleiben, dass die Erblasserin ganz offenbar zu Lebzeiten von ihren beiden Kindern massiv instrumentalisiert worden ist und – wie das Nachlassgericht mit Recht erwähnt hat – den Abschluss des Erbvertrages mit dem Beteiligten zu 2 und dessen Bestätigung mit Schreiben vom 4.3.2008 allem Anschein nach später bereut hat. Angesichts dessen und weil das Erbscheinsverfahren sozusagen die Fortsetzung der innerfamiliären Auseinandersetzung der beiden Geschwister darstellt, entspricht es der Billigkeit, die Kosten – mit Ausnahme der Kosten für den Erbschein – gegeneinander aufzuheben, nicht aber, sie nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens einseitig voll der Beteiligten zu 1 aufzuerlegen.
AGS 10/2018, S. 477 - 478