FamG § 76 Abs. 1; ZPO § 120a, 122 Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz
Ungeachtet der bewilligten Verfahrenskostenhilfe kann der bedürftige Beteiligte die Kostenfestsetzung im eigenen Namen betreiben. Der entsprechende Erstattungsanspruch steht selbstständig neben dem Beitreibungsrecht des beigeordneten Anwalts.
OLG Hamm, Beschl. v. 7.12.2018 – 6 WF 297/18
1 Sachverhalt
Das FamG hatte die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller auferlegt und den Verfahrenswert auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
Daraufhin hat die Antragsgegnerin beantragt, gegen den Antragsteller gem. §§ 103 ff. ZPO Kosten i.H.v. 470,05 EUR festzusetzen.
Diesen Antrag hat das FamG zurückgewiesen. Das FamG hat die Auffassung vertreten, dass der Antragsgegnerin kein eigener Erstattungsanspruch zustehe. Aufgrund der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gelten die allgemeinen Wirkungen des § 122 ZPO. Aus § 122 Abs. 3 Nr. 3 ZPO ergebe sich, dass ein beigeordneter Rechtsanwalt seine Vergütung nicht gegen den Mandanten geltend machen könne. Eine Auszahlung der Vergütung durch die Mandantin an den Verfahrensbevollmächtigten sei deshalb gesetzlich nicht vorgesehen. In Betracht komme lediglich eine Festsetzung nach § 126 ZPO im Namen des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin.
Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Sie meint, dass sie zu ihrem Schutz vor einer etwaigen zukünftigen Überprüfung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120a ZPO berechtigt sei, eine Festsetzung der ihr entstandenen Kosten zulasten des Antragsgegners zu beantragen. Sie verweist auf Entscheidungen des BGH v. 9.7.2009 (VII ZB 56/08, FamRZ 2009, 1577 [= AGS 2010, 30]) u. 11.11.2015 (XII ZB 242/15, FamRZ 2016, 208).
2 Aus den Gründen
Die gem. § 85 FamFG, § 104 ZPO zulässige Beschwerde hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des AG steht der Antragsgegnerin nach § 85 FamFG, §§ 103 ff. ZPO ein Kostenerstattungsanspruch gegen den Antragsteller zu.
1. Ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel gegen den Antragsteller liegt vor (§ 85 FamFG, § 103 ZPO). Durch Beschluss des AG sind dem Antragsteller die Verfahrenskosten auferlegt worden.
2. Die geltend gemachten Gebühren sind entstanden. Trotz der bewilligten Verfahrenskostenhilfe steht dem Verfahrensbevollmächtigen der Antragsgegnerin aus dem Anwaltsvertrag ein Anspruch auf Vergütung gegen seine Mandantin zu. Aus § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ergibt sich lediglich, dass dieser Anspruch nicht geltend gemacht werden kann. Dass grds. ein Vergütungsanspruch des beigeordneten Anwalts gegen seinen Mandanten besteht, ergibt sich mittelbar auch aus § 59 RVG, der einen Übergang des Anspruches auf die Staatskasse nach Befriedigung anordnet (BGH FamRZ 2009, 1577 [= AGS 2010, 30]; Musielak/Voit-Fischer, ZPO, 15. Aufl., 2018, § 122 Rn 7). Es ist allerdings allgemein anerkannt, dass die Vergütungsforderung des beigeordneten Anwalts, solange dem Mandanten Verfahrenskostenhilfe gewährt wird, wie bei einer Stundung in ihrer Durchsetzbarkeit gehemmt ist (BGH FamRZ 2009, 1577; Zöller-Geimer, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 126 Rn 9).
3. Da ein Vergütungsanspruch besteht, kann ein bedürftiger Beteiligter die dadurch entstandenen Kosten auch im eigenen Namen festsetzen lassen (BGH FamRZ 2009, 1577 [= AGS 2010, 30]; BGH FamRZ 2016, 206 [= AGS 2016, 92]; MükoZPO-Wache, 5. Aufl., 2016, § 126 Rn 3; Zöller-Geimer, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 126 Rn 9; Musielak-Fischer, 15. Aufl., 2018, § 122 Rn 8; a.A. Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 8. Aufl., 2016, Rn 772). Dieser Erstattungsanspruch der Antragsgegnerin steht selbstständig neben dem Beitreibungsrecht ihres Verfahrensbevollmächtigten nach § 126 ZPO (BGH FamRZ 2009, 1577 [= AGS 2010, 30]).
Ein Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich auch daraus, dass ein Beteiligter auf diese Weise eine spätere Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120a ZPO mit etwaig daraus erwachsenden Nachteilen vermeiden kann. Darüber hinaus ist es auch nicht erheblich, ob die Antragsgegnerin ihrem Verfahrensbevollmächtigten das Honorar bereits gezahlt hat oder nicht. Denn ihr Kostenerstattungsanspruch besteht grds. unabhängig davon, ob der Honoraranspruch bereits erfüllt ist (vgl. BGH FamRZ 2009, 1577 [= AGS 2010, 30]; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 126 Rn 9).
Soweit der Senat in der Vergangenheit eine gegenteilige Auffassung vertreten hat (Beschl. v. 5.9.2002 – 6 WF 238/02), wird daran nicht mehr festgehalten.
4. Antragsgemäß sind Kosten i.H.v. 470,05 EUR festzusetzen. Die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Gebühren sind, ausgehend von einem Verfahrenswert von 2.000,00 EUR, rechnerisch richtig (1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 195,00 EUR, 1,2 Terminsgebühr i.H.v. 180,00 EUR sowie die Pauschale für Post- und Telekommunikation i.H.v. 20,00 EUR, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer). Gerichtskosten sind auf Seiten der Antragsgegnerin nicht entstanden.
5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 85 FamFG, § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO.
AGS 10/2019, S. 482 - 483