ZPO § 91; RVG VV Nrn. 7003 ff.
Leitsatz
- Beauftragt die am Gerichtsort ansässige Partei einen auswärtigen Anwalt, dessen Hinzuziehung für sich genommen nicht notwendig war, so sind dessen Reisekosten dennoch zu erstatten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks.
- Eine Partei erhält auch dann ihre Reisekosten zum Termin und die damit verbundene Zeitversäumnis erstattet, wenn sie am Gerichtsort wohnt.
LG München I, Beschl. v. 12.8.2019 – 30 O 5993/17
1 Sachverhalt
Die in München ansässige Beklagte B hatte den auswärtigen Rechtsanwalt R mit ihrer Vertretung vor dem LG München I beauftragt. Es kam zu drei Verhandlungsterminen, zu denen R anreiste. Im dritten Termin wurde sodann ein Vergleich geschlossen, wonach die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs jeweils hälftig geteilt wurden. Im Rahmen der Kostenfestsetzung meldete B zum einen die Reisekosten von R an, allerdings begrenzt auf die höchstmögliche Entfernung innerhalb des Landgerichtsbezirks München I. Des Weiteren begehrte sie Erstattung ihrer Reisekosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sowie eine Entschädigung für Zeitversäumnis infolge des Termins i.H.v. 3,50 EUR je Stunde einschließlich der Zeit für Anreise und Rückreise. K widersprach der Festsetzung. Sie war der Auffassung, dass B einen Anwalt in München hätte beauftragen können, sodass keine Reisekosten angefallen wären. Auch B könne keine Reisekosten verlangen, da auch eine Partei innerhalb des Gerichtsorts keine Reisekosten geltend machen könne. Das LG hat antragsgemäß festgesetzt.
2 Aus den Gründen
Parteikosten
Die im Zusammenhang mit dem Verfahren für notwendige Reisen und für die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis ist zu entschädigen. Die Höhe der Entschädigung ist durch entsprechende Anwendung der für Zeugen geltenden Vorschriften des JVEG zu bestimmen (§ 91 Abs. 1 S. 2 ZPO).
Nach diesem Gesetz können 3,50 EUR für jede Stunde Zeitversäumnis festgesetzt werden. Der Partei steht eine Entschädigung in dieser Höhe selbst dann zu, wenn für sie weder ein Erwerbsverlust noch Nachteile bei der Haushaltsführung entstanden sind (§ 20 JVEG).
Fahrtkosten sind mit 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer festsetzbar (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG).
Fiktive Reisekosten des Rechtsanwalts
Die tatsächlich entstandenen Kosten einer Partei sind nicht ausnahmslos in voller Höhe von der Gegenseite zu erstatten. Vielmehr sind lediglich die notwendigen Kosten erstattungsfähig (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Gesetzlich ausdrücklich klargestellt ist, dass zu den notwendigen Kosten in jedem Fall der Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts am Prozessort gehört (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO). Wird dagegen ein auswärtiger Rechtsanwalt tätig, so bedarf es zusätzlich der Prüfung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die dadurch entstandenen Mehrkosten ebenfalls notwendig sind.
Stets erstattungsfähig sind nach der std. Rspr. des OLG München fiktive Reisekosten insoweit, als sie für einen Prozessbevollmächtigten entstanden wären, der an dem am weitesten vom Gerichtsort entfernt liegenden Ort innerhalb des Gerichtsbezirks ansässig ist, vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG 23. Aufl., VV 7003–7006 Rn 109a i.V.m. § 46 Rn 15, 51 a.a.O. Dies gilt auch dann, wenn die vertretene Partei – hier die Klägerin – am Gerichtsort in München ansässig ist.
Ist nämlich die Hinzuziehung eines auswärtigen Anwalts als nicht notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO anzusehen, führt dies nicht zum völligen Ausschluss der Kostenerstattung in Bezug auf die Reisekosten. Vielmehr sind die Kosten dieses Anwalts zu erstatten bis zur Höhe der Kosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts, BGH Beschl. v. 9.5.2018 – I ZB 62/17 [= AGS 2018, 319]. Demnach kann die Partei die Reisekosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts ausnahmslos erstattet verlangen.
Im Falle eines Verfahrens vor dem LG München I ist der am weitesten vom Gerichtsort entfernte Ort Aying. Für die fiktiven Reisekosten von/nach Aying ist eine Entfernung von 33 Kilometern einfach anzusetzen, sodass sich erstattungsfähige Fahrtkosten i.H.v. 19,80 EUR und eine Abwesenheitspauschale Nr. 7005 VV i.H.v. 25,00 EUR pro Termin ergeben.
3 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend.
Wie der BGH klargestellt hat, sind die Reisekosten eines nicht notwendigen auswärtigen Anwalts stets zu erstatten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks. Dabei ist für jede Instanz auf den jeweiligen Gerichtsbezirk abzustellen. Das gilt auch dann, wenn sich der Gerichtsbezirk über mehrere Bundesländer erstreckt. Zu erstatten sind dann die Reisekosen mit 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer. Hinzu kommt das Abwesenheitsentgelt, das für einen Anwalt mit der höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks angefallen wäre.
Auch die Festsetzung der Parteikosten ist zutreffend. Nach § 91 Abs. 1 S. 2, 1. Hs. ZPO erhält eine Partei Ersatz ihrer Reisekosten zu einem gerichtlichen Termin sowie eine Entschädigung für Zeitversäumnis. Dabei ist unerheblich, ob das persönliche Erscheinen angeordnet war. E...