GKG § 63; GKG-KostVerz. Nr. 2111; RVG § 33 Abs. 1; ZPO § 890
Leitsatz
Setzt das Gericht zu Unrecht einen Gebührenstreitwert fest, obwohl die Voraussetzungen für eine Festsetzung nach dem Gerichtskostengesetz nicht gegeben waren, führt der sich daraus ergebende Rechtsschein und die Möglichkeit einer nachteiligen Auswirkung auf die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten zu einer Beschwer, die zur Aufhebung der Wertfestsetzung durch das Beschwerdegericht Anlass geben kann.
OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 6.5.2020 – 6 W 43/20
1 Sachverhalt
Das LG hatte dem Antragsgegner wegen Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot aus der einstweiligen Verfügung, Kinderschreibtische anzubieten, wenn dabei nicht Name und Kontaktanschrift des Herstellers angegeben werden, ein Ordnungsgeld i.H.v. 25.000,00 EUR verhängt. Mit weiterem Beschluss hat es den Streitwert des Ordnungsmittelverfahrens auf 33.333,00 EUR festgesetzt.
Auf die Beschwerde hat das LG der Beschwerde teilweise abgeholfen und den Streitwert auf 17.500,00 EUR festgesetzt; i.Ü. hat es der Beschwerde nicht abgeholfen.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerden sind zulässig, aber nur teilweise begründet. Die Streitwertbeschwerde ist begründet, während das LG zu Recht ein Ordnungsgeld in der festgesetzten Höhe verhängt hat.
1. Die Streitbeschwerde ist zulässig und begründet.
a) Der Sachentscheidungskompetenz des Senats über die Streitwertbeschwerde steht nicht entgegen, dass das LG die Beschwerde im Hinblick auf den Streitwert nicht ausdrücklich gem. § 572 Abs. 1 Hs. 2 ZPO vorgelegt hat. Da aber die Vorlageverfügung des LG ausdrücklich auch auf die Teilabhilfe hinsichtlich des Streitwertes Bezug nimmt, ist der Beschluss dahingehend auszulegen, dass auch hinsichtlich der Streitwertbeschwerde vorgelegt werden soll.
Die Beschwerde ist auch zulässig; der Antragsgegner ist insbesondere durch die Streitwertentscheidung des LG beschwert.
Zwar hat das LG zu Unrecht gem. § 63 GKG für das Ordnungsmittelverfahren einen Streitwert festgesetzt. Bei der Entscheidung des LG handelt es sich um eine Streitwertfestsetzung nach den Vorschriften des GKG. Das LG hat einen Streitwert festgesetzt, obwohl die Voraussetzungen für eine Streitwertfestsetzung nach den Vorschriften des GKG nicht gegeben waren. Eine Streitwertfestsetzung findet gem. § 63 GKG (vgl. den Wortlaut von § 63 Abs. 1 S. 1 GKG) nur dann statt, wenn in dem betreffenden Verfahren Gerichtsgebühren anfallen, die sich nach der Höhe des Streitwerts richten. Dies war im vorliegenden Verfahren nicht der Fall. Denn im Ordnungsmittelverfahren fällt nach Nr. 2111 GKG-KostVerz. eine Festgebühr an (OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.8.2018 – 3 W 1010/18 = NJW-RR 2018, 1277 [= AGS 2018, 406]; vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.2.2009 – 4 W 5/09 = NJW-RR 2009, 1366 zum PKH-Verfahren [= AGS 2009, 401]).
Aus der – nach den Vorschriften des GKG nicht gebotenen – Streitwertfestsetzung können sich allerdings trotzdem nachteilige Auswirkungen auf die Gebühren ergeben, welche der Antragsgegner an seinen Rechtsanwalt zu zahlen hat. Zwar ist hierfür die Streitwertfestsetzung des LG ohne rechtliche Bedeutung. Indes ist durch den Beschluss des LG der Rechtsschein einer Festsetzung entstanden, der den Antragsgegner belastet (VGH München, Beschl. v. 4.11.2016 – 9 C 16.1684, BeckRS 2015, 40263 [= AGS 2017, 139]; OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.8.2018 – 3 W 1010/18, NJW-RR 2018, 1277 [= AGS 2018, 406]) und so zu einer Beschwer führt.
Die Rechtslage wäre allerdings dann anders zu beurteilen, wenn das LG eine Entscheidung nach § 33 Abs. 1 RVG getroffen hätte. Denn diese Vorschrift sieht ausdrücklich vor, dass eine gerichtliche Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren – unter bestimmten Voraussetzungen – auch dann maßgeblich sein kann, wenn die Voraussetzungen für eine Festsetzung des Streitwerts nach den Vorschriften des GKG nicht vorliegen. Eine solche Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG ergibt sich aus dem Beschluss des LG allerdings nicht. Zum einen ergibt sich aus der Formulierung des Beschlusses, dass das LG einen "Streitwert" festsetzen wollte und nicht einen Gegenstandswert gem. § 33 Abs. 1 RVG. Zum anderen beruft sich das LG auf § 3 ZPO und nicht auf § 33 Abs. 1 RVG.
b) In der Sache führt dies zu einer Aufhebung der Wertfestsetzung des LG.
Die Voraussetzungen für eine Streitwertfestsetzung nach den Vorschriften des GKG lagen nicht vor (vgl. oben). Der durch die Streitwertfestsetzung entstandene Rechtsschein ist durch Aufhebung des Beschlusses zu beseitigen (OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.8.2018 – 3 W 1010/18, NJW-RR 2018, 1277 [= AGS 2018, 406]; VGH München, Beschl. v. 4.11.2016 – 9 C 16.1684, BeckRS 2016, 54919 [= AGS 2017, 139]).
Eine Festsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG durch den Senat kommt nicht in Betracht, da ein Festsetzungsantrag eines Prozessbevollmächtigten nicht gestellt ist. Der Vertreter des Antragsgegners hat auch die Beschwerde ausdrücklich "in Namen" des Antragsgegners eingelegt.
Auch eine Festsetzung nach § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG kommt nicht in Betracht, da die Norm nur für von Amts wegen festzusetzende Streitwer...