Zu Leitsatz 1
§ 50 RVG gewährt dem beigeordneten Anwalt als materielle Anspruchsgrundlage einen Ausgleich für die niedrigeren Vergütungssätze des § 49 RVG (Grundvergütung) bei Gegenstandswerten von mehr als 4.000,00 EUR bzw. mehr als 30.000,00 EUR (ab 1.1.2021 – KostRÄG 2021 – mehr als 50.000,00 EUR). Der Ausgleich besteht in der Einräumung eines Anspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts auf die Wahlanwaltsvergütung gegen die Staatskasse. § 50 RVG bezeichnet die einem Wahlanwalt zustehende Vergütung (§ 1 Abs. 1 S. 1 RVG: Gebühren nach § 13 RVG, Auslagen nach Teil 7 VV) als "Regelvergütung". Durch das 2. KostRMoG ist § 50 Abs. 1 S. 1 RVG zum 1.8.2013 neu gefasst worden. Danach hat die Staatskasse nach Befriedigung ihrer Ansprüche nicht nur die Gebührendifferenz (Tabellen zu §§ 13, 49 RVG), sondern auch zusätzliche Auslagen des Rechtsanwalts, die nicht von der Staatskasse zu vergüten sind, einzuziehen und im Rahmen der weiteren Vergütung nach Erfüllung der Voraussetzungen zu erstatten.
Zu Leitsätzen 2 und 3
Im Gegensatz zum Antrag des beigeordneten oder bestellten Anwalts auf Festsetzung der Grundvergütung nach § 49 RVG oder eines Vorschusses nach § 47 RVG, der bis auf die Verjährung keinerlei Befristung unterliegt, ermächtigt § 55 Abs. 6 RVG den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, dem im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Anwalt für die Stellung des Antrages auf weitere Vergütung (§ 50 RVG) eine Ausschlussfrist von einem Monat zu setzen. Die Aufforderung mit der Fristsetzung hat nur vorbereitenden Charakter, sodass die Anordnung bereits zu einem Zeitpunkt zulässig ist, an dem die Voraussetzungen für die Festsetzung der weiteren Vergütung gem. § 50 Abs. 1 S. 2 RVG noch gar nicht vorliegen. Die Aufforderung ist nicht von der Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen für die Festsetzung der weiteren Vergütung abhängig. Vielmehr soll es gerade zur vorbereitenden Berechnung der Laufzeit der noch einzuziehenden Raten ermöglicht werden, die Aufforderung möglichst frühzeitig an den beigeordneten Rechtsanwalt zu richten. Der Ausschlusswirkung wegen ist die Fristsetzung jedoch nur wirksam, wenn sie sich zweifelsfrei aus dem Aufforderungsschreiben ergibt – ohne Hinweis auf die Ausschlussfrist tritt die Ausschlusswirkung nicht ein – und wenn das Original des Schreibens von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mit vollem Namen und nicht lediglich mit einer Abkürzung (Paraphe) unterschrieben und eine beglaubigte Abschrift der ordnungsgemäß unterzeichneten Verfügung zugestellt wird.
Wird die Frist nicht eingehalten, erlöschen sämtliche Vergütungsansprüche des Anwalts aus der Beiordnung, also nicht nur der Anspruch auf die weitere Vergütung gem. § 50 RVG, sondern auch der auf die Grundvergütung (Tabelle zu § 49 RVG). Allerdings kann das für die Grundvergütung nach § 49 RVG nur dann gelten, soweit diese nicht bereits gem. § 55 RVG gegen die Staatskasse angemeldet und festgesetzt worden ist. Es bedarf dann keiner Antwort auf eine etwaige Aufforderung mit Fristsetzung, um die bereits vorher festgesetzte Grundvergütung nicht zu verlieren.
Dipl.-Rechtspfleger Joachim Volpert, Willich
AGS 10/2020, S. 489 - 491