1. Umdeutung der Streitwertbeschwerde
Ob eine ausdrücklich und namens und in Vollmacht des Auftraggebers auf Heraufsetzung gerichtete Streitwertbeschwerde in eine solche des Prozessbevollmächtigten selbst umgedeutet werden kann, ist umstritten. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Fall des OLG Dresden hatte Glück gehabt, dass sich aus den in der Beschwerdeschrift in Bezug genommenen Anwaltsschriftsätzen ergeben hat, dass es nicht Absicht des Rechtsanwalts gewesen ist, eine Streitwertheraufsetzung zugunsten der Mandanten zu erreichen. Hätte sich das OLG nämlich der Auffassung angeschlossen, bei der vorliegenden Fallgestaltung wäre eine Umdeutung der ausdrücklich im Namen und in Vollmacht des Auftraggebers eingelegte Streitwertbeschwerde in eine solche des Rechtsanwalts selbst nicht zulässig gewesen, so hätte es die Beschwerde als unzulässig verwerfen müssen. Eine – erneute – Einlegung der Streitwertbeschwerde nunmehr ausdrücklich im eigenen Namen des Rechtsanwalts selbst wäre dann unzulässig gewesen, weil die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG längst verstrichen gewesen wäre.
2. Zulässigkeit der Streitwertbeschwerde der Partei
Das OLG Dresden hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine auf Heraufsetzung des Streitwertes gerichtete Streitwertbeschwerde der Parteien grds. unzulässig ist. Unter bestimmten Voraussetzungen wird jedoch gleichwohl eine solche Streitwertbeschwerde als zulässig angesehen.
a) Zulässig
Eine Meinung sieht die auf Heraufsetzung des Streitwertes gerichtete Beschwerde der Partei ausnahmsweise dann als zulässig an, wenn die Partei mit ihrem Rechtsanwalt eine wertunabhängige Vergütungsvereinbarung getroffen hat, sie aber bei Festsetzung eines höheren Streitwertes auch einen höheren Erstattungsanspruch gegenüber der unterlegenen Gegenpartei erreichen würde (OLG Düsseldorf AGS 2006, 188 m. Anm. N. Schneider; OLG Celle JurBüro 1992, 761; VGH Mannheim NVwZ-RR 2002, 900; OLG Frankfurt AGkompakt 2010, 26 und AGS 2013, 33; OVG Bautzen AGkompakt 2010, 111; OVG Greifswald JurBüro 2014, 246; OVG Saarlouis RVGreport 2007, 437 [Hansens] = AGS 2008, 191 m. Anm. N. Schneider; NK-GKG/N. Schneider, 3. Aufl., 2021, § 68 GKG Rn 33). In diesem Fall hat die Partei zur Glaubhaftmachung die betreffende Vergütungsvereinbarung vorzulegen (OLG Frankfurt AGS 2012, 347; OLG Celle FamRZ 2006, 1690).
b) Unzulässig
Die Gegenauffassung verneint in einem solchen Fall die erforderliche Beschwer der Partei (KG RVGreport 2016, 231 [Hansens] = AGS 2016, 226; OLG Köln MDR 2012, 185; VGH Kassel, Beschl. v. 23.11.1964 – B II 68/64).
3. Gestaffelte Streitwertfestsetzung
Die nach Zeitabschnitten gestaffelte Streitwertfestsetzung durch den 4. ZS des OLG Dresden ist unrichtig, was der 12. ZS des OLG Dresden in der in diesem Heft vorstehend abgedruckten Entscheidung ebenso gesehen hat. Die Festsetzung des Streitwertes dient allein der Berechnung der gerichtlichen Gebühren. In Betracht kam hier allein die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach Nr. 1210 GKG KV mit einem Gebührensatz von 3,0. Diese war gem. § 6 Abs. 1 GKG mit Einreichung der Klageschrift beim LG Leipzig fällig geworden und gleichzeitig angefallen. Für die Wertberechnung und damit auch für die Streitwertfestsetzung ist allein der Tag der Klageeinreichung maßgeblich (s. § 40 GKG). Alle übrigen Änderungen des Streitwertes, etwa durch teilweise Antragsrücknahme, haben auf den Streitwert für die gerichtliche Verfahrensgebühr keinen Einfluss.
Anders mag dies für die Anwaltsgebühren sein. So kann sich die Terminsgebühr des Prozessbevollmächtigten nach Nr. 3104 VV nach einem geringeren Gegenstandswert berechnen als seine Verfahrensgebühr, wenn ein Teil der Klage vor Anfall der Terminsgebühr zurückgenommen wurde, sodass Gegenstand der mündlichen Verhandlung nur noch der Restbetrag war. Dies ist jedoch nicht bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen. In diesem Fall kann dann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht gem. § 33 Abs. 1 RVG die gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes beantragen, weil sich seine Gebühren oder ein Teil hiervon (im vorgenannten Beispiel die Terminsgebühr) eben nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Streitwert berechnet/berechnen. Einen solchen Antrag auf gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes hatte der Prozessbevollmächtigte der Kläger jedoch nicht gestellt. Das OLG Dresden hat auch nicht den Gegenstandswert, sondern – gestaffelt nach Zeiträumen – unrichtig den Streitwert festgesetzt.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 10/2022, S. 465 - 468