§ 14b FamFG; § 130d ZPO
Leitsatz
- Rechtsanwälte, die das Amt des Betreuers berufsmäßig ausüben und in dieser Eigenschaft im eigenen Namen eine Beschwerdeschrift nach § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG einreichen, haben diese gem. § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG als elektronisches Dokument zu übermitteln.
- Werden verfahrenseinleitende Anträge nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle, sondern schriftlich abgegeben, hängt deren Wirksamkeit nach § 23 FamFG – anders als bei bestimmenden Schriftsätzen im Beschwerdeverfahren (§ 64 Abs. 2 S. 3 und 4 FamFG) – nicht von der Beachtung zwingender Formvorschriften ab, zu denen für einen Rechtsanwalt § 14b Abs. 1 FamFG hinzutreten könnte. Auch ein Rechtsanwalt darf solche Anträge daher gem. § 14b Abs. 2 S. 1 FamFG in gewöhnlicher Schriftform stellen; er ist in diesem Fall allerdings gem. § 14b Abs. 2 S. 2 FamFG verpflichtet, auf Anforderung des Gerichts ein elektronisches Dokument nachzureichen.
BGH, Beschl. v. 31.5.2023 – XII ZB 428/22
I. Sachverhalt
Für die 1960 geborene Betroffene ist eine Betreuung eingerichtet und der als Rechtsanwalt zugelassene Beteiligte zum Berufsbetreuer bestellt worden. Mit Schriftsatz vom 4.5.2022 hat der Betreuer beantragt, für seine Tätigkeit im Zeitraum vom 28.1.2022 bis zum 27.4.2022 eine Vergütung i.H.v. 513,00 EUR gegen die Staatskasse festzusetzen. Das AG hat den Vergütungsantrag nach vorangegangenem Hinweis als unzulässig zurückgewiesen, weil er nicht als elektronisches Dokument eingereicht worden sei. Dagegen hat sich der Betreuer mit seiner vom AG zugelassenen und in schriftlicher Form eingelegten Beschwerde gewendet, die das LG verworfen hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betreuers.
Das LG hatte die Beschwerde als unzulässig angesehen, weil die Beschwerdeschrift von einem Rechtsanwalt eingelegt, aber entgegen § 14b Abs. 1 FamFG nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden sei. Dies hielt nach Auffassung des BGH rechtlicher Überprüfung stand. Die Rechtsbeschwerde hatte also keinen Erfolg.
II. Entwicklung des § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG
Gem. § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG seien durch einen Rechtsanwalt, durch einen Notar, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln. Werde diese Form nicht eingehalten, sei die Erklärung unwirksam und wahre die Rechtsmittelfrist nicht. § 14b FamFG sei ursprünglich durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl I, 3786) in das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingefügt worden. Die Vorschrift habe sich in ihrer damaligen Fassung inhaltlich an dem gleichzeitig eingeführten und weitgehend wortgleichen § 130d ZPO angelehnt. Noch vor dem Inkrafttreten von § 14b FamFG zum 1.1.2022 sei durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften v. 5.10.2021 (BGBl I, 4607) zur Klarstellung eine inhaltliche Änderung der Vorschrift, wonach die Pflicht zur elektronischen Übermittlung ausdrücklich auf schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen beschränkt (§ 14b Abs. 1 FamFG) worden sei, erfolgt. Für sämtliche anderen Anträge und Erklärungen, die keinem Schriftformerfordernis unterliegen, sei die elektronische Einreichung nach § 14b Abs. 2 FamFG nur eine Sollvorschrift. Damit haben den Besonderheiten des Familienverfahrensrechts Rechnung getragen werden sollen, in dem der Schriftformzwang die Ausnahme bilde (vgl. BT-Drucks 19/28399, 39 f.).
III. Sachlicher Anwendungsbereich des § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG
Der sachliche Anwendungsbereich des § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG sei, so der BGH, bei der Einlegung einer Beschwerdeschrift durch einen Rechtsanwalt eröffnet. Zwar sehe § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG vor, dass die Beschwerde – außer in Ehe- und Familienstreitsachen (§ 64 Abs. 2 S. 2 FamFG) sowie in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. BGHZ 215, 1 = FamRZ 2017, 1151) – nicht nur durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, sondern auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt werden könne. Diese Möglichkeit solle einen erleichterten Zugang zu den Rechtsmittelgerichten gewähren, um damit insbesondere den Rechtsschutz für rechtsunkundige oder schreibungewandte Beteiligte zu wahren. § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG räume daher dem Verfahrensbeteiligten ein Wahlrecht ein. Entscheide er sich aber dafür, die Beschwerde schriftlich einzureichen, müsse seine Beschwerdeschrift als bestimmender Schriftsatz besonderen gesetzlich vorgesehenen Formerfordernissen (§ 64 Abs. 2 S. 3 und 4 FamFG) entsprechen. Zu diesen Formerfordernissen gehöre für Rechtsanwälte seit dem 1.1.2022 auch § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG. Daher sei ein Rechtsanwalt seit diesem Zeitpunkt zur Übermittlung der Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument verpflichtet, wenn er die Beschwerde – wie hier – schriftlich und nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle einlege (vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.2022 – XII ZB 200/22, FamRZ 2023, 461 und v. 21.9.2022 – XII ZB 264/22, Fam...