Gem. § 55 Abs. 5 S. 2 RVG hat der gegen die Staatskasse gerichtete Vergütungsantrag des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts die Erklärung zu enthalten, ob und welche Zahlungen der Rechtsanwalt bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat. Bei Zahlungen auf eine anzurechnende Gebühr sind gem. § 55 Abs. 5 S. 3 RVG diese Zahlungen, der Satz oder der Betrag der Gebühr und bei Wertgebühren auch der zugrunde gelegte Wert anzugeben. Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach der Antragstellung erhalten hat, hat er gem. § 55 Abs. 5 S. 4 RVG unverzüglich anzuzeigen.
§ 55 Abs. 5 S. 2 bis 4 RVG regelt nicht, welche Folgen bzw. Sanktionen bei Verstößen beigeordneter oder bestellter Rechtsanwälte gegen Erklärungs- und Anzeigepflichten gem. § 55 Abs. 5 S. 2 und 4 RVG greifen. Die Thematik wurde im Jahr 2017 auf der Konferenz der Kostenrechtsreferentinnen und Kostenrechtsreferenten der Landesjustizverwaltungen und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz erörtert.
Die Thematik sollte nunmehr im Rahmen der von DAV und BRAK vorgeschlagenen Anpassung des RVG wieder aufgegriffen werden.
Das OLG Hamm hat insoweit entschieden, dass der (eklatante) Verstoß des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die ihm nach § 55 Abs. 5 S. 2 und 4 RVG obliegende Verpflichtung, empfangene Mandantenzahlungen mitzuteilen, nicht zwingend zu einem Wegfall oder einer Kürzung der aus der Staatskasse festzusetzenden Vergütung führe. Eine Regelung, dass verschwiegene Zahlungen später in jedem Fall anzurechnen wären, fehle jedoch im RVG. Eine Rückforderung bereits erfolgter Zahlungen durch die Staatskasse könne daher nicht allein wegen eines unlauteren Verhaltens des beigeordneten Anwalts erfolgen. Die Pflicht des Anwalts, empfangene Zahlungen bei der Antragstellung mitzuteilen oder unverzüglich nach Erhalt anzugeben, diene der Prüfung, ob diese Zahlungen auf die festzusetzende Vergütung anzurechnen seien. Mangels gesetzlich normierter Sanktion für Verletzungen dieser Pflicht verbleibe es bei nachträglich bekannt gewordenen, vom Anwalt verschwiegenen Zahlungen des Mandanten bei der Überprüfung, ob diese Zahlungen auf die (festgesetzte) Vergütung anzurechnen seien. Die unterlassene Anzeige erhaltener Mandantenzahlungen könne lediglich berufsrechtlich verfolgt werden oder auch strafrechtliche Relevanz entfalten.
Eine Sanktion für Verletzungen der Anzeigepflicht ist im RVG lediglich in § 55 Abs. 6 RVG im Rahmen der Festsetzung der weiteren Vergütung bei PKH/VKH gem. § 50 RVG geregelt. Der Urkundsbeamte kann danach vor einer Festsetzung der weiteren Vergütung (§ 50 RVG) den Rechtsanwalt u.a. auch auffordern, innerhalb einer Frist von einem Monat bei der Geschäftsstelle des Gerichts, dem der Urkundsbeamte angehört, sich zu den empfangenen Zahlungen (§ 55 Abs. 5 S. 2 RVG) zu erklären. Kommt der Rechtsanwalt der Aufforderung nicht nach, erlöschen seine Ansprüche gegen die Staatskasse. Außerhalb der PKH/VKH-Vergütung gilt das nicht, zum Beispiel bei der Pflichtverteidigervergütung.