§ 126 Abs. 1 ZPO; §§ 146 Abs. 1, 164, 166 Abs. 1 S. 1 VwGO; Nrn. 1002, 1003 VV RVG

Leitsatz

  1. Wird ein Kostenfestsetzungsantrag einer bzw. eines im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Prozessbevollmächtigten auf § 126 ZPO gestützt, sind Beteiligte des Kostenfestsetzungsverfahrens die bzw. der Prozessbevollmächtigte und die Gegenseite, gegen die sich die Festsetzung richtet, hingegen grundsätzlich nicht die Mandantin bzw. der Mandant der bzw. des beigeordneten Prozessbevollmächtigten.
  2. Behandelt das Verwaltungsgericht im Rahmen einer Erinnerung gegen den auf einen solchen Kostenfestsetzungsantrag ergehenden Kostenfestsetzungsbeschluss nicht die/den Prozessbevollmächtigte/n, sondern die Mandantin bzw. den Mandanten als Erinnerungsführerin bzw. Erinnerungsführer, ist auch die bzw. der Prozessbevollmächtigte befugt, gegen den die Erinnerung zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde einzulegen.
  3. Erforderlich für die Erledigung der Rechtssache "durch die anwaltliche Mitwirkung" nach Nr. 1003 i.V.m. Nr. 1002 VV ist eine besondere, über die bereits mit der Verfahrensgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgehende, auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung "auf sonstige Weise" gerichtete Tätigkeit der Rechtsanwältin bzw. des Rechtsanwalts, die zur Erledigung nicht unwesentlich beigetragen hat.
  4. Die bloße Mitwirkung an der formellen Beendigung des Verfahrens genügt hierfür nicht.
  5. Die anwaltliche Tätigkeit muss die außergerichtliche Erledigung bezweckt und den eingetretenen Erfolg zumindest mitursächlich bewirkt haben.

OVG Hamburg, Beschl. v. 15.3.2023 – 6 So 112/22

I. Sachverhalt

Der Kläger, vertreten durch Rechtsanwältin X, hatte beim VG Hamburg gegen die Beklagte Klage erhoben mit dem zuletzt gestellten Antrag, ihm unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 11.9.2017 eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Hilfsweise hatte er beantragt, die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung dieses ablehnenden Bescheids die Aufenthaltserlaubnis des Klägers ab Antragstellung vom 8.3.2016 zu verlängern. Weiterhin hilfsweise hat der Kläger beantragt, ihm eine Aufenthaltserlaubnis ab Antragstellung vom 8.3.2016 rückwirkend zu erteilen.

Durch Beschl. v. 24.8.2021 schlug das VG Hamburg dem Beteiligten den Abschluss eines Vergleichs mit dem Inhalt vor, dass die Beklagte dem Kläger eine Niederlassungserlaubnis erteile und die Kosten des Verfahrens trage. Dies lehnte die Beklagte ab. Hieraufhin führte der Berichterstatter des VG am 08., 10. und 13.9.2021 Telefonate mit der Vertreterin der Beklagten sowie der Rechtsanwältin X. Mit Schriftsatz vom 13.9.2021 teilte die Beklagte mit, sie werde dem Kläger rückwirkend eine Niederlassungserlaubnis erteilen. Außerdem gab sie eine Kostenübernahmeerklärung ab und schloss sich einer etwaigen Erledigungserklärung des Klägers an. Nachdem dem Kläger der elektronische Aufenthaltstitel ausgehändigt worden war, erklärte er – vertreten durch Rechtsanwältin X – den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Durch Beschl. v. 24.1.2022 stellte das VG Hamburg hieraufhin das Verfahren ein und legte der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf.

Aufgrund dieser Kostenentscheidung beantragte Rechtsanwältin X, gem. §§ 154 Abs. 1, 173 VwGO i.V.m. § 126 ZPO die anwaltlichen Gebühren und Auslagen einschließlich einer 1,0-Erledigungsgebühr i.H.v. 303,00 EUR gegen die Beklagte festzusetzen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.9.2022 die von der Beklagten an die Rechtsanwältin X gem. § 126 ZPO zu erstattenden Kosten fest, wies jedoch den Antrag hinsichtlich der Festsetzung einer Erledigungsgebühr nebst anteiliger Umsatzsteuer zurück.

Gegen diese Entscheidung legte Rechtsanwältin X am 9.10.2022 Erinnerung ein, der die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht abhalf. Das VG Hamburg wies die Erinnerung durch Beschl. v. 29.11.2022 zurück. Dabei war das VG davon ausgegangen, nicht Rechtsanwältin X im eigenen Namen, sondern der Kläger – vertreten durch Rechtsanwältin X – habe die Erinnerung eingelegt. Infolgedessen hat das VG Hamburg den Kläger auch als Erinnerungsführer bezeichnet. Gegen den der Rechtsanwältin X am 30.11.2022 zugestellten Beschluss des VG Hamburg vom Vortage legte diese am 14.12.2022 Beschwerde ein.

Das OVG Hamburg hat die Beschwerde der Rechtsanwältin X zurückgewiesen und ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

II. Kostenfestsetzung im Namen der beigeordneten Rechtsanwältin

1. Gesetzliche Grundlagen

Gem. § 126 Abs. 1 ZPO sind die für die Partei bestellten Rechtsanwälte berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben. Diese Vorschrift gilt über § 166 Abs. 1 S. 1 VwGO auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren (OVG Münster RVGreport 2014, 320 [Hansens]). Somit können die für die Partei bestellten Rechtsanwälte das Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 154, 173 S. 1 VwGO i.V.m. §§ 103 ff. ZPO im eigenen Namen betreiben. Insoweit sind die beigeordneten Rechtsanwälte Prozessstandschafter (s. BGH R...

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