Die Gebührenreferenten befassten sich eingehend mit dem Urt. des EuGH v. 12.1.2023.
In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein litauischer Rechtsanwalt mit einem Verbraucher einen Stundensatz von 100,00 EUR vereinbart. Die Vergütungsvereinbarung enthielt weder eine Schätzung über die entstehenden Kosten noch etwaige Regelungen über eine regelmäßige Abrechnung. Als Vorschuss zahlte der Mandant 5.600,00 EUR; bei Mandatsende rechnete der Rechtsanwalt weitere 9.900,00 EUR zzgl. Auslagen ab. In erster Instanz vertrat das Bezirksgericht die Auffassung, dass die Klausel über die Vergütung missbräuchlich ist, und setzte die geforderte Vergütung um die Hälfte herab. Gegen die sodann zurückgewiesene Berufung legte der Rechtsanwalt beim Obersten Gericht Beschwerde ein, das das Verfahren aussetzte und dem EuGH Fragen über die Missbräuchlichkeit von Klauseln i.S.v. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG vorlegte.
Nach Auffassung des EuGH ist die im konkreten Fall verwendete Klausel über die Stundensatzvereinbarung i.S.v. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG missbräuchlich, da sie nicht dem Erfordernis, klar und verständlich abgefasst zu sein, genügt. Der EuGH führt zur Begründung aus, dass dem Verbraucher vor Vertragsabschluss nicht die Informationen erteilt worden sind, die ihn in die Lage versetzt hätten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der finanziellen Folgen des Vertragsabschlusses zu treffen:
Die streitgegenständliche Klausel über die Vergütung bestimme lediglich, dass der Rechtsanwalt als Vergütung für jede Stunde seiner Rechtsdienstleistung 100,00 EUR erhält. Ohne weitere Angaben sei ein normal informierter und angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher nicht in der Lage, bei Vertragsschluss vorherzusehen, wie viele Stunden genau erforderlich sein werden, um die Rechtsdienstleistungen zu erbringen, und welche Vergütung insgesamt zu zahlen sein wird.
Deshalb müssen laut EuGH Angaben in der Vereinbarung enthalten sein, anhand deren der Verbraucher die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einzuschätzen vermag, etwa eine Schätzung der Stunden, die voraussichtlich oder mindestens erforderlich sind, oder die Verpflichtung, in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Aufstellungen zu übermitteln, in denen die aufgewandten Arbeitsstunden ausgewiesen sind.
Vor diesem Hintergrund diskutierten die Gebührenreferenten, welche konkreten Anforderungen erfüllt sein müssen, damit Stundensatzklauseln unproblematisch wirksam sind. Dies geht allerdings aus der EuGH-Entscheidung nicht eindeutig hervor, sodass sich nach Ansicht der Gebührenreferenten zeigen muss, wie die deutschen Gerichte mit dieser Entscheidung umgehen werden.
Einigkeit bestand bei den Gebührenreferenten aber, dass es für Rechtsanwälte zu Beginn des Mandats nicht möglich ist, eine Schätzung der aufzuwendenden Stunden vorzunehmen. Dennoch sollte vorsorglich in regelmäßigen Abständen – welche konkret, lässt der EuGH wie dargestellt misslicher Weise offen – abgerechnet sowie der zu erwartende Arbeitsaufwand mit dem Mandanten immer wieder besprochen und hinreichend begründet werden. Die Hinweise an den Mandanten sollten dokumentiert werden.
Zitat
“Die Gebührenreferenten werden die Entwicklungen in der deutschen Rechtsprechung hinsichtlich der Auswirkungen des EuGH-Urteils auf die Abfassung von Vergütungsvereinbarungen weiter beobachten.“
In diesem Zusammenhang befassten sich die Gebührenreferenten außerdem mit dem Urteil des OLG München zur Sittenwidrigkeit einer vereinbarten Anwaltsvergütung.