Besonderheiten gelten für den Scheidungsfolgenvergleich. Gem. § 48 Abs. 3 S. 1 RVG erstreckt sich die in einer Ehesache erfolgte Beiordnung im Fall des Abschlusses eines Vertrags i.S.d. Nr. 1000 VV auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten. Es handelt sich um eine automatische Erstreckung der VKH-Beiordnung, sodass es einer ausdrücklichen VKH-Bewilligung oder einer Klarstellung nicht bedarf.
Die kraft Gesetzes eintretende automatische Erstreckung nach § 48 Abs. 3 S. 1 RVG gilt, soweit die Scheidungsfolgevereinbarung folgende Gegenstände umfasst:
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den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten, |
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den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander, |
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die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder, |
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die Regelung des Umgangs mit einem Kind, |
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die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen, |
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die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht oder |
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den Versorgungsausgleich. |
Es handelt sich um eine abschließende Aufzählung. Werden in dem Vergleich auch andere Gegenstände geregelt, erstreckt sich die VKH gleichwohl nur auf die in § 48 Abs. 3 S. 1 RVG genannten Gegenstände. Für die übrigen Teile des Vergleichs muss, sofern es sich um nicht anhängige Gegenstände handelt, gesondert VKH bewilligt werden.
Unter die von § 48 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 RVG erfassten Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht fallen auch Regelungen, die zwar für sich genommen nicht zum Güterrecht i.S.d. §§ 1363 ff. BGB zählen, aber in Zusammenhang mit einer güterrechtlichen Streitigkeit stehen, etwa indem sie den Zugewinnausgleichsanspruch, der an sich ein reiner Geldanspruch ist, modifizieren.
Den Versorgungsausgleich betreffende Ansprüche sind in § 48 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 RVG genannt. Dabei ist zu beachten, dass bei solchen Ansprüchen, die nach § 137 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG als Folgesache im Verbund anhängig gemacht werden, sich die automatische Erstreckungswirkung der VKH-Bewilligung bereits aus § 149 FamFG ergibt. Mit § 48 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 RVG wird aber sichergestellt, dass der Versorgungsausgleich von der Erstreckungswirkung auch dann erfasst wird, wenn er nicht als Folgesache anhängig ist, etwa bei ausländischen Anwartschaften.
Aufgrund von § 48 Abs. 3 S. 2 RVG gilt die automatische Erstreckung der VKH auch für eine Regelung in den Lebenspartnerschaftssachen nach § 269 Abs. 1 Nr. 1, 2 FamFG.
§ 48 Abs. 3 S. 1 RVG ist nur anwendbar, wenn es sich um eine Regelung in einem Scheidungsverfahren handelt. Für die in einer isolierten Familiensache getroffenen Vereinbarung gilt die Regelung nicht.
Tritt eine automatische Erstreckung der VKH-Bewilligung auf den Vergleich ein, so erstreckt sich die Beiordnung "auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten". Mit dieser Formulierung soll ausdrücklich klargestellt werden, dass sämtliche Gebühren aus der Staatskasse zu erstatten sind. Neben der Einigungsgebühr der Nr. 1000 VV sind auch die Verfahrensdifferenz- und Terminsgebühr der Nrn. 3101, 3104 VV zu erstatten.
Beispiel 8
Im Verbundverfahren ist neben der Scheidung auch die Folgesache Versorgungsausgleich anhängig. In der Verhandlung schließen die Beteiligten einen Vergleich, mit dem der nicht gerichtlich anhängige Kindesunterhalt geregelt wird. Der Verfahrenswert wird festgesetzt auf 15.000,00 EUR für die Scheidung und 3.000,00 EUR für den Versorgungsausgleich. Der Vergleichswert beträgt 4.200,00 EUR.
Der beigeordnete Anwalt erhält aus der Staatskasse:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
499,20 EUR |
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(Wert: 18.000,00 EUR) |
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2. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 VV |
227,20 EUR |
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(Wert: 4.200,00 EUR) |
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gem. § 15 Abs. 3 RVG |
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538,20 EUR |
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nicht mehr als |
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1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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(Wert: 22.200,00 EUR) |
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3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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496,80 EUR |
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(Wert: 22.200,00 EUR) |
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4. |
1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV |
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426,00 EUR |
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(Wert: 4.200,00 EUR) |
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5. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
6. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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281,39 EUR |
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Gesamt |
1.762,39 EUR |
Umstritten ist in der Rspr., ob die Erstreckungswirkung auch eintritt, wenn es sich um einen außergerichtlichen Vergleich über einen in § 48 Abs. 3 S. 1 RVG gennannten Gegenstand handelt. Die verneinende Ansicht macht geltend, dass die Beiordnung eines Anwalts grds. nur in einem gerichtlichen Verfahren erfolgen könne.
Zu Recht hat die bejahende Gegenauffassung jedoch darauf hingewiesen, dass der Sinn und Zweck von § 48 Abs. 3 S. 1 RVG eher dafür spricht, eine automatische VKH-Erstreckung nicht davon abhängig zu machen, ob es sich um einen gerichtlichen Vergleich handelt.
Das OLG Oldenburg hat hierzu ausgeführt:
Zitat
"Sinn und Zweck der Regelung spricht für die Einbeziehung außergerichtlicher Einigungen. Ziel der gesetzlichen Erstreckung der Beiordnung auf Einigungsverträge gemäß § 48 Abs. 3 RVG ist es, zur Entlastung der Gerichte eine gütliche Einigung zu fördern und ein Anhängigmachen der üblicherweise zu regelnden Folgesachen möglichst zu vermeiden...