Die Erinnerung ist nach Auffassung des AG unbegründet. Dem anwaltlichen Vertreter stehe nach § 45 Abs. 3 S. 1 RVG ein Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse zu. Demnach erhalte ein sonst gerichtlich bestellter oder beigeordneter Rechtsanwalt Vergütung aus der Landeskasse, wenn ein Gericht des Landes den Rechtsanwalt bestellt oder beigeordnet habe. Dies sei vorliegend der Fall, da der bevollmächtigte Rechtsanwalt durch gerichtlichen Beschl. v. 4.3.2024 beigeordnet worden sei.
1. Auffangnorm
Soweit der Vertreter der Staatskasse auf die Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundesrates verweise, wonach es an einer gesetzlichen Vergütungsregelung fehle, sei dies im Ergebnis unzutreffend. Zwar fehle es augenscheinlich an einer spezialgesetzlichen Regelung hinsichtlich der Vergütung von nach § 62d AufenthG bestellten Rechtsanwälten, jedoch bilde § 45 Abs. 3 RVG eine Auffangnorm bezüglich der Vergütung gerichtlich bestellter Rechtsanwälte. Demnach sowie auch im Hinblick auf die Vergütung der nach anderen Vorschriften gerichtlich bestellten Rechtsanwälte, die ebenfalls nach § 45 Abs. 3 RVG erfolge (z.B. Beiordnungen nach § 78 FamFG, §§ 68b Abs. 2, 141, 364b Abs. 1, 397a, 408b StPO, §§ 40 Abs. 2, 53 Abs. 2 IRG), erscheine der deutschen Rechtsordnung eine gerichtliche Beiordnung eines Rechtsanwalts ohne entsprechenden Vergütungsanspruch grds. fremd.
Eine Beiordnung ohne Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse werde ausnahmsweise im Falle einer Beiordnung nach § 78b ZPO vertreten (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 26. Aufl., 2023, § 45 Rn 136; a.A.: HK-RVG/Kießling, 8. Aufl., 2021, § 45 Rn 45, 46). Diesbezüglich sei jedoch zu sehen, dass der Notanwalt nach § 78b ZPO sein Tätigwerden von der Zahlung eines Vorschusses abhängig machen könne (§ 78c Abs. 2 ZPO) und insofern ausreichend abgesichert sei. An einer entsprechenden Sicherung fehle es bei der vorliegenden Beiordnung nach § 62d AufenthG hingegen.
Sämtlichen genannten Beiordnungsvorschriften, die in der Folge einen Vergütungsanspruch nach § 45 Abs. 3 RVG begründen, sei überdies der Sinn und Zweck gemein, dem Betroffenen eine angemessene Wahrnehmung seiner Rechte zu ermöglichen. Selbige Erwägung habe gleichfalls der Einführung des § 62d AufenthG zugrunde gelegen (vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat des Bundestages vom 17.1.2024; BT-Drucks 20/10090). Gründe, die dafür sprächen, die Vergütung eines nach § 62d AufenthG beigeordneten Rechtsanwalts anders handzuhaben, seien indes nicht ersichtlich.
2. Bundesrat verkennt Funktion als Auffangnorm
Soweit der Rechtsausschuss des Bundesrates in seiner Stellungnahme ausführe, weder in den §§ 39, 41 RVG noch in § 45 RVG werde ausdrücklich auf § 62d AufenthG Bezug genommen, verkenne er, dass § 45 Abs. 3 RVG in seiner Funktion als Auffangnorm gerade keine ausdrücklichen Verweise enthalte. Ferner sei auch anderen gesetzlichen Regelungen zur verpflichtenden Bestellung von Bevollmächtigten regelmäßig keine spezielle Vergütungsregelung zu entnehmen (vgl. erneut § 78 FamFG, §§ 68b Abs. 2, 141, 364b Abs. 1, 397a, 408b StPO, §§ 40 Abs. 2, 53 Abs. 2 IRG), sodass aus deren Fehlen zu schließen wäre, es bestünde zwangsläufig kein Vergütungsanspruch.
3. Rechtsanwaltstätigkeit ohne Vergütung lebensfremd
Darüber hinaus erscheine die Annahme, ein gerichtlich verpflichtend beizuordnender Rechtsanwalt würde das Mandat ohne gesetzlichen Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse übernehmen, lebensfremd. Ohne korrespondierenden Vergütungsanspruch dürfte es in der praktischen Umsetzung wohl kaum möglich sein – insbesondere in der in Abschiebesachen aufgrund erfolgter Festnahme erforderlichen Kurzfristigkeit – übernahmebereite Rechtsanwälte ausfindig zu machen, um die persönliche Anhörung des Betroffenen durchführen zu können. Dies widerspräche letztlich auch der vom Gesetzgeber mit dem Rückführungsverbesserungsgesetz verfolgten Intention, Rückführungsmaßnahmen effektiver zu gestalten. Insoweit liege die Vermutung nahe, dass dies auch dem Gesetzgeber bewusst gewesen sein müsse und dieser vielmehr davon ausgegangen sei, es bedürfe in Anbetracht der Anwendbarkeit der Auffangnorm des § 45 Abs. 3 RVG keiner spezialgesetzlichen Regelung. Hierfür spreche auch der Beschluss des Bundesrates vom 2.2.2024 (BR-Drucks 21/24). Obgleich der Bundesrat sich darin nicht mehr ausdrücklich mit der Frage der Vergütung eines nach § 62d AufenthG zu bestellenden Rechtsanwalts befasste, entschied er letztendlich, von der Anrufung eines Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 GG abzusehen, und schloss sich insoweit den Bedenken seines Rechtsausschusses offenbar nicht an.