§ 47 Abs. 1 RVG gewährt einen "angemessenen" Vorschuss. Fraglich ist, was unter "angemessen" zu verstehen ist. Die Antwort auf diese Frage richtet sich nach dem Sinn und Zweck des Vorschusses. Dieser liegt, anders als beim Vorschussanspruch gegen den Mandanten nach § 9 RVG, der den Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten sichern soll, nicht im sog. "Sicherungsgedanken", sondern darin, dass dem Rechtsanwalt bereits für den Zeitraum zwischen dem Entstehen des Anspruchs und der sich nach § 8 RVG richtenden Fälligkeit, die ggf. länger hinaus geschoben sein kann, eine Vergütung zukommen soll. Deshalb richtet sich der "angemessene Vorschussanspruch" nach dem dem Rechtsanwalt zustehenden Erfüllungsanspruch. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt bei bereits entstandenen Gebühren diese in voller Höhe verlangen kann und sich nicht auf einen Teilbetrag verweisen lassen muss. Der Vorschuss muss also nicht hinter der voraussichtlich endgültig anfallenden Gesamtvergütung zurückbleiben. Der Vorschuss wird aber nicht unzulässig auf einen Teilbetrag beschränkt, wenn ein geringerer als der verlangte Vorschuss ausgezahlt wird, weil z.B. die Höhe des Vorschusses falsch ermittelt worden ist. Bei den in den Teilen 4–6 VV bei gerichtlicher Beiordnung oder Bestellung regelmäßig anfallenden Festgebühren besteht der Vorschussanspruch daher in Höhe dieser Gebühren.
Für noch nicht entstandene Gebühren, wie z.B. eine Terminsgebühr, wenn ein Termin noch nicht wahrgenommen worden ist, kann ein Vorschuss nicht gefordert werden; die voraussichtliche Entstehung reicht nicht aus. Ist der Rechtsanwalt im Wege der PKH beigeordnet bzw. zugezogen worden, kann dieser Vorschussanspruch allerdings wegen § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht geltend gemacht werden (Forderungssperre). Soweit Gebühren entstanden sind, darf der Rechtsanwalt sie in voller Höhe geltend machen.
Bei Auslagen können die bereits entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Auslagen verlangt werden (vgl. IV., 3.). Bei bereits entstandenen Auslagen kommt es auf die "Angemessenheit" nicht mehr an. Bei noch entstehenden Auslagen, kann die Staatskasse die Angemessenheit im Hinblick darauf, ob die Auslagen zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich sind, prüfen. In beiden Fällen sind die Auslagen ebenfalls in voller Höhe zu bevorschussen. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Rechtsanwalt in der Lage ist, die Auslagen bis zur Fälligkeit seiner Vergütung nach § 8 RVG selbst zu tragen.
Ein geleisteter Vorschuss für entstandene Auslagen eines Pflichtverteidigers kann zurückgefordert werden, wenn sich herausstellt, dass dieser zu Unrecht gezahlt wurde. Die Rückforderung eines gezahlten Vorschusses wegen entstandener Fahrtkosten ist auch dann veranlasst, wenn die Feststellung, dass ein Auslagenerstattungsanspruch nicht besteht, allein auf einer geänderten rechtlichen Beurteilung der Angemessenheit der Fahrtkosten beruht. Die Rückforderung eines zu Unrecht gezahlten Vorschusses darf dergestalt durchgesetzt werden, dass der Betrag von einer anderweitig veranlassten Vorschusszahlung in derselben Sache in Abzug gebracht wird.