[Ohne Titel]
Der Verteidiger hat unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Vorschuss. Der Vorschussanspruch gegenüber dem Mandanten ergibt sich aus § 9 RVG, darüber wurde bereits in AGS 2024, 339 berichtet. Der in diesem Beitrag behandelte Vorschussanspruch des bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse folgt aus § 47 RVG.
I. Überblick
§ 47 RVG gewährt dem Rechtsanwalt, dem ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht (vgl. § 45 RVG) (dazu II.), einen Anspruch auf Vorschuss, und zwar sowohl hinsichtlich seiner Gebühren als auch hinsichtlich seiner Auslagen (vgl. dazu IV., 3.). Der Rechtsanwalt kann, muss aber nicht, nach § 47 Abs. 1 S. 1 RVG einen Vorschuss aus der Staatskasse verlangen. Das gilt insbesondere für den in Straf- und Bußgeldsachen bestellten Rechtsanwalt, also den Pflichtverteidiger. Ob und in welcher Höhe der Rechtsanwalt einen Vorschuss verlangt, liegt – ebenso wie das Vorschussverlangen nach § 9 RVG gegenüber dem Mandanten – in seinem Ermessen. Verlangt der Rechtsanwalt den Vorschuss, liegen die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 RVG vor und enthält der Antrag alle erforderlichen Angaben und Erklärungen, insbesondere gem. § 55 Abs. 5 S. 2 RVG zu erhaltenen Zahlungen, ist der Vorschuss vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (UdG) im Verfahren nach § 55 RVG festzusetzen und anschließend auszuzahlen. Der Antrag auf Festsetzung eines Vorschusses kann vom Urkundsbeamten nur abgelehnt werden, wenn die genannten Voraussetzungen für den Vorschuss nicht vorliegen.
II. Vorschussberechtigter
Das Recht auf Vorschuss nach § 47 Abs. 1 RVG hat grds. jeder Rechtsanwalt, dem ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht.
Einen Vorschussanspruch haben (zu Sonderregelungen s. IV., 1., b) f.):
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gem. § 45 Abs. 1 RVG der im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordnete oder nach §§ 57, 58 ZPO zum Prozesspfleger bestellte Rechtsanwalt, allerdings kann ein Vorschuss auf die weitere Vergütung nach § 50 RVG durch den im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt bei PKH mit Zahlungsanordnung nicht geltend gemacht werden, weil erst nach Verfahrensende feststeht, welche vorrangig aus den Ratenzahlungen zu deckenden Kosten angefallen sind, |
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gem. § 45 Abs. 3 RVG der in Verfahren nach den Teilen 4–6 VV bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt, also z.B. in Straf-/Bußgeldsachen der Pflichtverteidiger oder Pflichtbeistand nach §§ 141, 397a, 406h Abs. 3 Nr. 1 StPO, aber auch der gem. § 68b StPO beigeordnete Zeugenbeistand oder der im Auslieferungsverfahren nach § 40 IRG bestellte Beistand (zum Vorschuss auf die Pauschgebühr nach § 51 RVG vgl. IV., 1., b)), |
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gem. § 45 Abs. 2 RVG der unter besonderen Voraussetzungen (vgl. dazu IV., 3.) nach §§ 138, 270 FamFG beigeordnete Rechtsanwalt, |
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gem. § 45 Abs. 2 RVG der unter besonderen Voraussetzungen (vgl. dazu IV., 3.) nach § 67a Abs. 1 S. 2 VwGO bestellte Rechtsanwalt, |
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gem. § 45 Abs. 2 RVG der unter den Voraussetzungen der §§ 109 Abs. 3, 119a Abs. 6 StVollzG beigeordnete Rechtsanwalt, wenn also der zur Zahlung Verpflichtete (§ 39 Abs. 2 RVG) mit der Zahlung der Vergütung im Verzug ist (§ 286 BGB), |
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gem. § 8 PsychPbG, § 47 Abs. 1 S. 1 RVG der psychosoziale Prozessbegleiter für die entstandenen Vergütungspauschalen, |
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aufgrund der Formulierung in § 45 Abs. 3 RVG sämtliche "sonst" beigeordnete oder bestellte Rechtsanwälte. |
III. Vorschussverpflichteter
Zur Zahlung des Vorschusses verpflichtet ist nach § 47 Abs. 1 S. 1 RVG die Staatskasse. Der Vorschuss wird im Verfahren nach § 55 RVG festgesetzt (s. VI.). Die Staatskasse hat kein Ermessen hinsichtlich der Gewährung eines Vorschusses (s. I.).
IV. Vorschussverlangen
1. Berechtigte
a) Allgemeines
Das Recht auf Vorschuss nach § 47 Abs. 1 RVG steht allen in II. genannten Berechtigten zu.
b) Pflichtverteidiger
Eine Sonderregelung gilt für den Pflichtverteidiger. Diesem ist nach der ausdrücklichen Regelung in § 51 Abs. 1 S. 5 RVG auf Antrag ein angemessener Vorschuss auf eine Pauschgebühr zu bewilligen, wenn ihm insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten. Dabei handelt es sich nicht um einen Vorschuss nach § 47 Abs. 1 RVG. Insoweit besteht aber ein Anspruch neben dem Vorschussanspruch aus § 51 Abs. 1 S. 5 RVG, der sich allerdings nur auf die gesetzlichen Gebühren richtet. Dieser Anspruch hat insofern für den Pflichtverteidiger Bedeutung, weil er die Frage der Unzumutbarkeit i.S.d. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG entfal...