§§ 305 ff. BGB
Leitsatz
- Eine formularmäßig getroffene anwaltliche Zeithonorarabrede ist auch im Rechtsverkehr mit Verbrauchern nicht allein deshalb unwirksam, weil der Rechtsanwalt weder dem Mandanten vor Vertragsschluss zur Abschätzung der Größenordnung der Gesamtvergütung geeignete Informationen erteilt noch sich dazu verpflichtet hat, ihm während des laufenden Mandats in angemessenen Zeitabständen Zwischenrechnungen zu erteilen oder Aufstellungen zu übermitteln, welche die bis dahin aufgewandte Bearbeitungszeit ausweisen.
- Eine Klausel über die Erhöhung des Stundensatzes gekoppelt an den Gegenstandswert benachteiligte den Mandanten unangemessen, wenn dies zu Stundensätzen führt, die mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht in Einklang zu bringen sind.
- Eine Vereinbarung, wonach neben einer Stundensatzvergütung auch eine Einigungsgebühr oder eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV zu zahlen ist, ist im Rechtsverkehr mit Verbrauchern unwirksam.
- Eine Vereinbarung, wonach zur Stundensatzvergütung zusätzlich 5 % des Nettohonorars als Auslagen zu zahlen sind, verstößt gegen § 307 Abs. 1 BGB.
- Eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten kann sich aus dem Gesamtzusammenhang der einzelnen Klauseln eines Rechtsanwalts ergeben. Dies ist der Fall, wenn die mit einer Stundenhonorarklausel verknüpften Zusatzklauseln der Vergütungsvereinbarung dem Rechtsanwalt zusammen mit der Intransparenz der Stundenhonorarklausel einen missbräuchlichen Gestaltungsspielraum eröffnen und dazu führen, dass die Vergütungsabrede im Ganzen nicht wirksam ist. Dies kann sich aus dem Summierungseffekt der einzelnen Klauseln der Vergütungsvereinbarung ergeben.
- Ist eine formularmäßig getroffene anwaltliche Vergütungsvereinbarung aus AGB-rechtlichen Gründen insgesamt unwirksam, richten sich die Honoraransprüche des Rechtsanwalts nach den Vorschriften des RVG.
BGH, Urt. v. 12.9.2024 – IX ZR 65/23
I. Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Anwaltshonorar für verschiedene Mandate in Anspruch, bei denen eine erb- und familienrechtliche Auseinandersetzung im Vordergrund stand. Die Parteien schlossen für jedes Mandat eine vom Kläger vorformulierte Vergütungsvereinbarung. In den jeweiligen Vergütungsvereinbarungen hieß es u.a.:
Zitat
Abweichend von den gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erhält oben genannte Rechtsanwaltskanzlei für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts eine Grundgebühr von 150 EUR und eine Vergütung von 190 EUR/h, für die Tätigkeit von Rechtsanwalt N. von 245 EUR/h zzgl. Auslagenpauschale und gesetzlicher MwSt. Für Streitwerte über 250.000 EUR erhöht sich der Stundensatz um 10 EUR je angefangene weitere 50.000 EUR. […] Die Auslagenpauschale beträgt 5 % der Nettogebühren, mindestens 20 EUR. Die Notwendigkeit der Fertigung von Kopien steht im pflichtgemäßen Ermessen des Anwalts. Je kopierter Seite oder Scan fallen 0,50 EUR an. […]
[…] Endet eine Angelegenheit durch eine Einigung, steht dem Rechtsanwalt die Einigungsgebühr (VV 1000 RVG) neben der Stunden- und Grundgebühr zu. Wird ein Strafverfahren, ein Betreuungsverfahren oder ein sonstiges nachteiliges gerichtliches Verfahren nach Auftragserteilung eingestellt oder erfolgt ein Freispruch, erhält der Rechtsanwalt als Erfolgsgebühr einen zusätzlichen Betrag von 750 EUR. […] Entsteht Streit über die angefallene Arbeitszeit, kann der Rechtsanwalt anstelle des Zeithonorars oder hilfsweise nach seiner Wahl das Doppelte der gesetzlichen Vergütung mindestens jedoch eine 2,5 Geschäftsgebühr zuzüglich Umsatzsteuer verlangen. […] Die vom Rechtsanwalt abgerechneten Zeiten gelten als anerkannt, wenn der Auftraggeber nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Wochen nach Zugang des Abrechnungsschreibens substantiiert widerspricht. […]
Die Grundgebühr des Klägers wurde handschriftlich eingetragen. Bei einem Auftrag betrug der vorformulierte Stundensatz des Klägers 255,00 EUR/h. Der Kläger erstellte für seine Tätigkeit Abrechnungen, die die Beklagte zum Teil beglich.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger auf der Grundlage seiner Abrechnungen die Zahlung restlicher Vergütung i.H.v. insgesamt 132.072,11 EUR nebst Zinsen.
Die Beklagte begehrt im Wege der Widerklage die Erstattung gezahlter Vergütung i.H.v. 5.455,91 EUR nebst Zinsen. Sie macht überdies im Wege der Hilfsaufrechnung und Hilfswiderklage Ansprüche auf Rückerstattung überzahlten Honorars i.H.v. insgesamt 52.062,94 EUR nebst Zinsen geltend.
Das LG hat der Klage stattgegeben und die Widerklagen abgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Klage i.H.v. 92.575,71 EUR nebst Zinsen abgewiesen und dabei die Hilfsaufrechnung i.H.v. 3.421,68 EUR als durchgreifend erachtet. I.Ü. hat es das Rechtsmittel der Beklagten zurückgewiesen und das Urteil des LG aufrechterhalten.
Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage und verfolgt ihre Widerklageanträge weiter. Der Kläger begehrt mit seiner Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Der BGH...