1. Keine Relevanz der EuGH-Entscheidung
Die Anwaltschaft darf aufatmen. Das Damoklesschwert der EuGH-Entscheidung, das über vielen Honorarvereinbarungen schwebte, gehört der Vergangenheit an. Der BGH hat klargestellt, dass die Entscheidung des EuGH auf das deutsche Recht nicht übertragbar ist. Das deutsche Recht enthält in den Vorschriften der §§ 305 ff. BGB ausreichend klare Regelungen zur Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Weitergehender Anforderungen, wie sie der EuGH stellt, bedarf es nicht.
2. Erhöhungsklausel
Die Erhöhungsklausel, wonach sich bei Streitwerten von über 250.000,00 EUR der Stundensatz um 10,00 EUR je angefangene weitere 50.000,00 EUR erhöhe, hat der BGH zu Recht für unwirksam erklärt. Die Klausel ist damit intransparent und kann zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mandanten führen. So würde sich bei einem Streitwert von 2 Mio. EUR bereits eine Erhöhung des Stundensatz um (35 x 10,00 EUR =) 350,00 EUR ergeben, was für den Mandanten bei Abschluss der Vereinbarung nicht ersichtlich ist
3. Auslagen
Auch die Vereinbarung zur pauschalen Auslagenerstattung hat der BGH zu Recht als intransparent angesehen. Durch diese Klausel wird verschleiert, dass faktisch der Stundensatz um 5% angehoben wird.
Zwar wäre der Stundensatz von 190,00 EUR + 5 % = 199,50 EUR und 245,00 EUR + 5% = 257,25 EUR für sich genommen noch nicht bedenklich. Die vorgenommene Verklausulierung verhindert aber, dass der Mandant erkennt, dass hier tatsächlich ein höherer Stundensatz vereinbart worden ist. Ähnlich entschieden hatte bereits das LG Köln (AGS 2017, 164).
4. Einigungsgebühr
Soweit der BGH die Vereinbarung einer zusätzlichen Einigungsgebühr für unwirksam angesehen hat, begegnet dies allerdings Bedenken. Auch bei gesetzlicher Abrechnung erhält der Anwalt für den "Erfolg", also für den Abschluss einer Einigung, eine zusätzliche Einigungsgebühr. Der BGH geht davon aus, dass bei einer Zeitabrechnung ein Bedürfnis für eine solche zusätzliche Erfolgsgebühr nicht bestehe. Das ist in dieser Allgemeinheit allerdings nicht zutreffend. Ich sehe keine Bedenken, dass das Zeithonorar nur aus Ersatz für die Verfahrens- und Terminsgebühr vereinbart wird und die gesetzliche Einigungsgebühr daneben bestehen bleiben soll. Auch bei der gesetzlichen Abrechnung werden die Vergleichsverhandlungen selbst nicht durch die Einigungsgebühr abgegolten, sondern durch Verfahrens- und Terminsgebühren. Diese Gebühren fallen unabhängig davon an, ob die Einigung zustande kommt oder nicht. Die Einigungsgebühr ist daher letztlich nicht das Äquivalent für die Verhandlungen, sondern für den Erfolg. Ist aber schon nach der gesetzlichen Regelung die Einigungsgebühr kein Äquivalent für die Vergleichsverhandlungen, dann kann bei Stundensatzvergütungen auch nicht argumentiert werden, für die Vergleichsverhandlungen werde ja nach Stunden vergütet. Die Auffassung des BGH läuft auch dem Sinn und Zweck der Nr. 1000 VV zuwider. Die Einigungsgebühr soll einen Anreiz dafür schaffen, die Gerichte erst gar nicht in Anspruch zu nehmen und in gerichtlichen Verfahren dem Gericht die Arbeit und den Aufwand einer Entscheidung zu ersparen. Würde man hier die Einigungsgebühr neben einem Zeithonorar nicht zulassen, würde dieser Anreiz wegfallen. Im Gegenteil wäre es für den Anwalt lukrativer, wenn er aufgrund der weiteren Durchführung des Mandats weitere Zeiten abrechnen könnte.
5. Streit- und Anerkenntnisklausel
Soweit vereinbart worden ist, dass die vom Rechtsanwalt abgerechneten Zeiten als anerkannt gelten, wenn nicht innerhalb von drei Wochen widersprochen wird, hat der BGH diese Klausel zu Recht als unwirksam angesehen.
6. Gesamtschau
In der Gesamtschau hat der BGH die gesamte Vereinbarung nach § 306 Abs. 3 BGB für unwirksam erklärt. Die Vielzahl der Einzelverstöße lasse sich nicht mehr dadurch korrigieren, dass man nur die entsprechenden Klauseln nach § 306 Abs.1 BGB für unwirksam erkläre. Vielmehr sei die Vergütungsvereinbarung insgesamt unwirksam.
7. Rechtsfolge
Die Rechtsfolge ist hier, dass die gesamte Vergütungsvereinbarung unwirksam ist (§ 306 Abs. 3 BGB). Die Wirksamkeit des Anwaltsvertrags bleibt davon aber unberührt.
Es liegt hier also kein Fall des § 4b RVG vor, wonach die vereinbarte Vergütung geschuldet bleibt, aber auf die gesetzliche Vergütung reduziert wird.
Dies führt dazu, dass der Anwalt – anders als in den Fällen des § 4b RVG – nunmehr die gesetzliche Vergütung abrechnen muss. Die bisherige Abrechnung genügt nicht (OLG Düsseldorf AGS 2009, 14). Lediglich in den Fällen des § 4b RVG genügt die bisherige Abrechnung, weil die vereinbarte Vergütung geschuldet bleibt. Sie wird nur auf das gesetzliche Maß reduziert. Hier ist aber nicht die vereinbarte Vergütung in reduzierter Höhe geschuldet, sondern die gesetzliche Vergütung, was ein aliud ist. Daher wird die Kanzlei zunächst einmal eine neue Rechnung erstellen müssen.
Soweit allerdings die gesetzliche Vergütung höher ausfallen sollte als die Vergütung nach der Vereinbarung, wäre nach Treu und Glauben nur ...