Rechtspfleger Werner Klüsener, Die Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen, JurBüro 2024, 169
Mit Wirkung zum 1.8.2013 hat der Gesetzgeber in Nr. 1010 VV eine Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen eingeführt. Deren Anwendungsbereich ist sehr beschränkt, was sich auch daraus ergibt, dass hierzu nur wenige Gerichtsentscheidungen bekannt geworden sind.
In seinem Beitrag befasst sich Klüsener näher mit dieser Gebühr. Zunächst weist der Autor darauf hin, dass die Zusatzgebühr nur in Verfahren entstehen kann, die nach Teil 3 VV abzurechnen sind. Dabei müsse es sich um ein Verfahren mit einer besonders umfangreichen Beweisaufnahme handeln, in dem mindestens drei gerichtliche Termine stattfinden, in denen Sachverständige und/oder Zeugen vernommen worden sind. Diese Voraussetzungen können nach den Ausführungen des Autors sowohl in Verfahren, in denen sich die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert berechnen, gegeben sein, als auch in Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren anfallen. Unabhängig von der Instanz habe die Zusatzgebühr einen einheitlichen Gebührensatz von 0,3 in den Angelegenheiten, die nach dem Gegenstandswert abgerechnet werden. Demgegenüber erhöhe sich bei Betragsrahmengebühren in Sozialgerichtssachen der Mindest- und der Höchstbetrag der Zusatzgebühr (gemeint: der Terminsgebühr) um 30 %.
Die Aufführung der Zusatzgebühr in Teil 1 VV hält Klüsener für systemwidrig, weil diese Gebühr nur in nach Teil 3 VV abzurechnenden Verfahren entstehen kann. Damit scheide der Anfall der Zusatzgebühr in nach den Teilen 4 und 5 VV abzurechnenden Straf- und Bußgeldsachen aus.
Den Wortlaut der Nr. 1010 VV hält der Autor zumindest für missverständlich. So sei nicht klar, ob die Beschränkung auf "besonders umfangreiche Beweisaufnahmen" ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal sei. Es sei daher fraglich, ob die Zusatzgebühr auch dann entstehe, wenn die Beweisaufnahme zwar nicht besonders umfangreich gewesen sei, aber mindestens drei gerichtliche Termine stattgefunden hätten, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen worden seien. Angesichts des unklaren Wortlauts nimmt es nach den weiteren Ausführungen des Autors nicht Wunder, dass über die Auslegung der Vorschriften Streit besteht. Klüsener neigt der Auffassung zu, nach der der besondere Umfang der Beweisaufnahme dadurch indiziert wird, dass mindestens drei Termine mit Vernehmung von Sachverständigen oder Zeugen stattgefunden hätten. Folglich sei es nicht erforderlich, im Einzelfall zu prüfen, ob ein besonderer Umfang der Beweisaufnahme vorgelegen habe oder nicht.
Nach den weiteren Ausführungen des Autors erfordert der Gebührentatbestand die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen in den Terminen. Darunter fiele einmal die förmliche Vernehmung als Zeuge oder Sachverständiger, aber auch die mündliche Erläuterung des schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen. Demgegenüber seien schriftliche Zeugenaussagen oder eine prozessvorbereitende Anhörung nicht ausreichend.
Als weiteres Erfordernis setzt der Gesetzestext voraus, dass drei gerichtliche Termine stattgefunden haben. Nach Auffassung Klüseners reicht ein Ortstermin des gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht aus.
Sodann befasst sich Klüsener mit der Frage, welche subjektiven Anforderungen an den Gebührentatbestand zu richten sind. Nach den Ausführungen des Autors muss der Rechtsanwalt die Termine nicht wahrnehmen, um die Zusatzgebühr zu verdienen. Folglich könnten auch andere Anwälte wie der Verkehrsanwalt oder der Terminsvertreter die Zusatzgebühr verdienen. Dieses Beispiel ist allerdings kein Beleg für die Auffassung des Autors, da der Verkehrsanwalt oder der Terminsvertreter die Termine regelmäßig selbst wahrnehmen. Richtig wäre der Hinweis darauf, dass auch der Prozessbevollmächtigte die Zusatzgebühr verdienen könnte, wenn der Terminsvertreter drei Termine wahrgenommen hat, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen worden sind.
Nach den weiteren Ausführungen des Autors erfordert der Gebührentatbestand der Nr. 1010 VV, dass die drei Termine in ein und derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit und im selben Rechtszug stattgefunden haben müssen. Dies belegt der Autor anhand mehrerer Beispiele. In Angelegenheiten, in denen sich die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert berechnen, ist nach den weiteren Ausführungen Klüseners die Zusatzgebühr nach dem Wert des Gegenstandes zu berechnen, über den Beweis erhoben worden sei.
Abschließend weist der Autor darauf hin, dass die Gebührenvorschrift der Nr. 1010 VV auf andere Fälle einer umfangreichen Beweisaufnahme nicht entsprechend anwendbar sei. So könne der Rechtsanwalt die Zusatzgebühr bspw. dann nicht berechnen, wenn es sich zwar um eine äußerst umfangreiche Beweisaufnahme gehandelt hat, die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen jedoch nur in zwei Terminen stattgefunden habe.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Die Kosten der Säumnis in der gerichtlichen und anwaltlichen Praxis, JurBüro 2024, 171
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