RVG § 49; RVG VV Nrn. 1008, 3200, 3201
Leitsatz
- Vertritt der beigeordnete Rechtsanwalt mehrere Auftraggeber, ohne dass derselbe Gegenstand nach § 7 Abs. 1 RVG vorliegt, und überschreiten die zusammengerechneten Streit- bzw. Gegenstandswerte die Obergrenze des § 49 RVG in Höhe von 30.000,00 EUR, so erhält er in Bezug auf die Verfahrensgebühr den Mehrfachvertretungszuschlag nach Nr. 1008 VV in entsprechender Anwendung.
- Maßgeblich für die Berechnung ist allein der 30.000,00 EUR übersteigende und ausgefallene Teilstreit- bzw. Teilgegenstandswert. Die anzusetzende Zahl der Zuschläge richtet sich nach der Zahl der Auftraggeber, die nicht von dem Wert von 30.000,00 EUR erfasst werden.
- Eine entsprechende Anwendung auf die Terminsgebühr ist nicht möglich.
VGH München, Beschl. v. 19.5.2009–13 S 999/09
1 Aus den Gründen
I. Die Kostenbeamtin hat zu Recht die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV nicht in entsprechender Anwendung von Nr. 1008 VV um den Faktor 0,6 (2 x 0,3) erhöht. Denn deren allgemein für richtig gehaltene entsprechende Anwendung bei der Verfahrens- bzw. Geschäftsgebühr nach Nr. 3200 VV hat ihren Grund allein darin, dass anderenfalls bei mehreren Auftraggebern infolge der durch § 49 RVG erfolgten Deckelung des Gegenstandswerts ein ungerechtfertigter Nachteil des beigeordneten Rechtsanwalts eintreten würde und dieser ausgeglichen werden soll. Denn der Gesetzgeber ist bei seiner Grundentscheidung (außerhalb der speziell geregelten Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts) davon ausgegangen, dass die Mehrarbeit entweder durch den Mehrvertretungszuschlag nach Nr. 1008 VV bei derselben Angelegenheit oder aber durch die Zusammenrechnung der Gegenstandswerte bei unterschiedlichen Angelegenheiten kompensiert wird (vgl. etwa Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 49 Rn 8; BGH, Beschl. v. 11.6.1981 – VI ZR 27/78 – NJW 1981, 2757). Im Rahmen der entsprechenden Anwendung ist die Zahl der anzusetzenden Mehrvertretungszuschläge dann davon abhängig, wie viele Auftraggeber infolge der Deckelung ausfallen; gegebenenfalls ist sein Zuschlag zu teilen, wenn insoweit nur teilweise die Grenze überschritten wird. Da im vorliegenden Fall alle fünf Kläger mit dem gleichen Teilstreitwert in Höhe von 10.000,00 EUR zu Buche schlagen, bedarf es keiner Entscheidung darüber, wie bei einem unterschiedlichen Maß der Beteiligung vorzugehen ist, insbesondere wie zu entscheiden ist, welche Kläger auf den Wert von 30.000,00 EUR anzurechnen sind. Im vorliegenden Fall ergeben sich demnach, wie die Kostenbeamtin zu Recht angenommen hat, zwei Zuschläge nach Nr. 1008 VV.
Da der Mehrvertretungszuschlag jedoch zweifelsfrei nicht in Bezug auf die Terminsgebühr erhoben werden kann, kann bei dieser Gebühr auch die Grundannahme des Gesetzgebers nicht zum Tragen kommen, mit anderen Worten: Der Gesetzgeber ist in diesem Bereich davon ausgegangen, dass es insoweit keines zusätzlichen weiteren Ausgleichs durch einen entsprechenden Zuschlag bedarf, weshalb es keine Grundlage für die Annahme einer ungerechtfertigten Benachteiligung geben kann und demzufolge kein Raum für eine weiter gehende entsprechende Anwendung ist. Im Gegenteil: Hier könnte immerhin diskutiert werden, ob infolge der Zusammenrechnung die Fälle derselben Angelegenheit nicht ungerechtfertigt benachteiligt werden.
II. Die zulässige Erinnerung des Bezirksrevisors hat nur zum Teil Erfolg. Liegt, wie dargelegt, der maßgebliche Grund für die entsprechende Anwendung darin, dass die durch die Deckelung der Gegenstandswerte verursachten Nachteile ausgeglichen werden sollen, so gibt es keinen gerechtfertigten Grund, die Erhöhung nach Nr. 1008 VV selbst wiederum und ausnahmslos aus der Maximalgebühr nach § 49 RVG zu berechnen, da dann in den Fällen eines überschießenden Gegenstandswerts unter 30.000,00 EUR (wie im vorliegenden Fall) ein nicht gerechtfertigter Vorteil eintreten würde, andererseits bei einem darüber liegenden überschießenden Gegenstandswert der Ausgleich durch die entsprechende Anwendung nur unvollkommen wäre. Denn bis zum maximalen Gegenstandswert in Höhe von 30.000,00 EUR tritt der Nachteil zulasten des beigeordneten Rechtsanwalts zunächst gar nicht ein, weil hier die Entscheidung des Gesetzgebers zum Tragen kommt und nicht verfälscht wird. Erst ein Überschreiten dieser Schwelle ist überhaupt relevant. Deshalb ist dieser Wert nicht geeignet, eine angemessene Grundlage für die Ermittlung des Mehrvertretungszuschlags abzugeben. Aussagekräftig ist vielmehr nur der "ausgefallene" Wert, der jedenfalls in einem gewissen Maße den Nachteil widerspiegelt. Allerdings sieht der Senat keine Grundlage im Gebührenrecht dafür, den überschießenden Wert in Kopfteile zu trennen und für jeden Teilwert isoliert den Zuschlag in Höhe von 0,3 zu berechnen, wie der Bezirksrevisor meint. Es hat auch hier bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass in Fällen der hier vorliegenden unechten Streitgenossenschaft die Gegenstandswerte zusammengerechnet werden (vgl. § 22 RVG), weshalb von einem Teilgegenstandswert in Höhe von 20.000,00 EUR und e...