RVG VV Vorbem. 3 Abs. 3, Nr. 3104, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104; ZPO § 91a
Leitsatz
- Der Austausch von E-Mails zwischen den Parteien zur Erörterung der Modalitäten der Streitbeilegung löst keine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV aus. Die Kommunikation über E-Mails ist nicht als Besprechung i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 VV zu werten (gegen OLG Koblenz AGS 2007, 347).
- Eine Terminsgebühr entsteht nicht bei einer Entscheidung über die Kosten im schriftlichen Verfahren nach § 91a Abs. 1 ZPO.
BGH, Beschl. v. 21.10.2009 – IV ZB 27/09
1 Sachverhalt
In seinem Kostenfestsetzungsantrag hatte der Kläger unter Hinweis auf zwischen seinem Prozessbevollmächtigten und dem Beklagten gewechselte E-Mails die Festsetzung einer 1,2-fachen Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 3 VV beantragt. Die Berücksichtigung dieser Gebühr hat der Rechtspfleger abgelehnt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das OLG zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, die das OLG im Hinblick auf den Beschluss des OLG Koblenz (AGS 2007, 347) zugelassen hat.
2 Aus den Gründen
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Terminsgebühr nicht durch den Austausch von E-Mails zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und dem Beklagten entstanden. Nur eine auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung, d.h. eine mündliche Unterredung, führe zum Anfall der Terminsgebühr. Eine schriftliche Kontaktaufnahme – mit postalischem Schreiben, per E-Mail, SMS oder Fax – sei schon begrifflich keine Besprechung, derer es nach dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut in Vorbem. 3 Abs. 3 VV bedürfe.
2. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO aufgrund der Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet. Das Beschwerdegericht hat dem Kläger zu Recht den begehrten Ansatz einer Terminsgebühr versagt.
a) Dadurch, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers per E-Mail mit dem Beklagten die Modalitäten der Streitbeilegung erörterte, ist eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 3 VV nicht entstanden. Die Kommunikation über E-Mails ist nicht als Besprechung im Sinne dieses Gebührentatbestandes zu werten (ebenso: Bischof, in: ders., RVG, 3. Aufl., Vorbem. 3 VV Rn 96 c, Nr. 3104 VV Rn 54; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., Vorbem. 3 VV Rn 105; Hansens, in: ders./Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 8 Rn 216; ders., RVGreport 2007, 268, 269; a.A. OLG Koblenz a.a.O. mit zustimmenden Anm. Mayer, RVG-Letter 2007, 65; Schons, AGS 2007, 348; VG Lüneburg AGS 2008, 282; kritisch: AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, 4. Aufl., VV Vorbem. 3 Rn 141; Pießkalla/Reichart, VRR 2009, 92).
aa) Bereits der Wortlaut und die Systematik des Gesetzes sprechen dagegen, den Austausch von E-Mails als Besprechung anzusehen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch, der grundsätzlich auch das Verständnis von Gesetzesbestimmungen prägt, erfordert eine Besprechung die – mündliche oder fernmündliche – Äußerung von Worten in Rede und Gegenrede, so dass der Austausch von Schriftzeichen per Brief, Telefax, SMS oder E-Mail nicht genügen kann (Hansens a.a.O.; Müller-Rabe a.a.O. Rn 104 f.). Dass der Gesetzgeber abweichend davon mit dem Begriff der Besprechung auch einen Meinungsaustausch auf schriftlichem oder elektronischem Wege verbinden wollte, ist nicht ersichtlich. Zudem wird der Schriftverkehr des Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten durch die Verfahrensgebühr abgegolten, die der Rechtsanwalt nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information erhält. Diese Gebühr deckt die gesamte Tätigkeit ab, für die andere Gebühren, insbesondere die Terminsgebühr, nicht anfallen. Hierzu gehört insbesondere die Fertigung von Schriftsätzen an Gegner oder Dritte (Hansens, RVGreport 2007 a.a.O. m.w.N.). Wollte man darauf abstellen, dass der Austausch von E-Mails in der Regel größeren anwaltlichen Arbeitsaufwand erfordert als ein Gespräch und der Text einer E-Mail im Allgemeinen verlässlicher ist als das gesprochene Wort (so OLG Koblenz a.a.O.), so müssten auch außerhalb des Prozesses versandte Schriftsätze mit Einigungsvorschlägen zu einer Terminsgebühr führen (vgl. Bischof a.a.O.; Müller-Rabe a.a.O.; Pießkalla/Reichart a.a.O.). Dies führte – wie das Beschwerdegericht zutreffend hervorhebt – am Gesetzeswortlaut vorbei zu einer erheblichen Erweiterung des ohnehin weit gefassten Abgeltungsbereichs der Gebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV und zu einer sachwidrigen Verteuerung von Rechtsstreitigkeiten. Aus diesem Grund rechtfertigt auch der Umstand, dass eine elektronische oder schriftliche Kommunikation vergleichbare Regelungsmöglichkeiten wie eine mündliche oder telefonische Erörterung eröffnet, nicht den Ansatz der Terminsgebühr.
bb) Schließlich verweist der Beschwerdeführer ohne Erfolg auf die Gesetzesbegründung. Danach soll die in Abs. 3 der Vorbem. bestimmte Terminsgebühr sowohl die bisherige Verhandlungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO a.F. als auch die Erört...