Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung. Anfall der Terminsgebühr. Begriff der Besprechung. Erörterung. Streitbeilegung. E-Mail

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Erörterung der Modalitäten der Streitbeilegung durch die Prozessbevollmächtigten per E-Mail läßt eine Terminsgebühr nach RVG-VV Nr. 3104 nicht entstehen.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3104

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Beschluss vom 04.08.2009; Aktenzeichen 17 W 194/09)

LG Köln (Entscheidung vom 18.03.2009; Aktenzeichen 37 O 704/08)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des OLG Köln vom 4.8.2009 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 694,01 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

I. Das LG hat dem Beklagten, der die Klageforderung während des Verfahrens ausgeglichen und der Erledigungserklärung des Klägers nicht widersprochen hatte, die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a Abs. 1 ZPO auferlegt. In seinem Kostenfestsetzungsantrag hat der Kläger unter Hinweis auf zwischen seinem Prozessbevollmächtigten und dem Beklagten gewechselte E-Mails die Festsetzung einer 1,2-fachen Terminsgebühr nach Nr. 3104 in Verbindung mit Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG-VV in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG, Teil 3 beantragt. Die Berücksichtigung dieser Gebühr sowie der darauf entfallenden Umsatzsteuer hat der Rechtspfleger abgelehnt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das OLG zurückgewiesen.

Rz. 2

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, die das OLG im Hinblick auf den Beschluss des OLG Koblenz vom 18.5.2007 (14 W 373/07 - u.a. veröffentlicht in VersR 2007, 1288 = AnwBl. 2007, 633 = JurBüro 2007, 413 = AGS 2007, 347 = RVG-Letter 2007, 64) zugelassen hat.

Rz. 3

II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Rz. 4

1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Terminsgebühr nicht durch den Austausch von E-Mails zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und dem Beklagten entstanden. Nur eine auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung, d.h. eine mündliche Unterredung, führe zum Anfall der Terminsgebühr. Eine schriftliche Kontaktaufnahme - mit postalischem Schreiben, per E-Mail, SMS oder Fax - sei schon begrifflich keine Besprechung, derer es nach dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut in Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG-VV bedürfe.

Rz. 5

2. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO aufgrund der Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet. Das Beschwerdegericht hat dem Kläger zu Recht den begehrten Ansatz einer Terminsgebühr versagt.

Rz. 6

a) Dadurch, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers per E-Mail mit dem Beklagten die Modalitäten der Streitbeilegung erörterte, ist eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 in Verbindung mit Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG-VV nicht entstanden. Die Kommunikation über E-Mails ist nicht als Besprechung im Sinne dieses Gebührentatbestandes zu werten (ebenso: Bischof in ders., RVG 3. Aufl. Vorbemerkung 3 VV Rz. 96c, Nr. 3104 VV Rz. 54; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 18. Aufl. Vorbem. 3 VV Rz. 105; Hansens in ders./Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts 2. Aufl. Teil 8 Rz. 216; ders., RVGreport 2007, 268, 269; a.A. OLG Koblenz, a.a.O., mit zustimmenden Anmerkungen Mayer, RVG-Letter 2007, 65; Schons, AGS 2007, 348; VG Lüneburg, AGS 2008, 282; kritisch: Onderka in N. Schneider in AnwKomm/RVG 4. Aufl. VV Vorbem. 3 Rz. 141; Pießkalla/Reichart, VRR 2009, 92).

Rz. 7

aa) Bereits der Wortlaut und die Systematik des Gesetzes sprechen dagegen, den Austausch von E-Mails als Besprechung anzusehen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch, der grundsätzlich auch das Verständnis von Gesetzesbestimmungen prägt, erfordert eine Besprechung die - mündliche oder fernmündliche - Äußerung von Worten in Rede und Gegenrede, so dass der Austausch von Schriftzeichen per Brief, Telefax, SMS oder E-Mail nicht genügen kann (Hansens, a.a.O.; Müller-Rabe, a.a.O., Rz. 104 f.). Dass der Gesetzgeber abweichend davon mit dem Begriff der Besprechung auch einen Meinungsaustausch auf schriftlichem oder elektronischem Wege verbinden wollte, ist nicht ersichtlich. Zudem wird der Schriftverkehr des Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten durch die Verfahrensgebühr abgegolten, die der Rechtsanwalt nach Vorbemerkung 3 Abs. 2 RVG-VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information erhält. Diese Gebühr deckt die gesamte Tätigkeit ab, für die andere Gebühren, insb. die Terminsgebühr, nicht anfallen. Hierzu gehört insb. die Fertigung von Schriftsätzen an Gegner oder Dritte (Hansens, RVGreport 2007, a.a.O., m.w.N.). Wollte man darauf abstellen, dass der Austausch von E-Mails in der Regel größeren anwaltlichen Arbeitsaufwand erfordert als ein Gespräch und der Text einer E-Mail im Allgemeinen verlässlicher ist als das gesprochene Wort (so OLG Koblenz, a.a.O.), so müssten auch außerhalb des Prozesses versandte Schriftsätze mit Einigungsvorschlägen zu einer Terminsgebühr führen (vgl. Bischof, a.a.O.; Müller-Rabe, a.a.O.; Pießkalla/Reichart, a.a.O.). Dies führte - wie das Beschwerdegericht zutreffend hervorhebt - am Gesetzeswortlaut vorbei zu einer erheblichen Erweiterung des ohnehin weit gefassten Abgeltungsbereichs der Gebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG-VV und zu einer sachwidrigen Verteuerung von Rechtsstreitigkeiten. Aus diesem Grund rechtfertigt auch der Umstand, dass eine elektronische oder schriftliche Kommunikation vergleichbare Regelungsmöglichkeiten wie eine mündliche oder telefonische Erörterung eröffnet, nicht den Ansatz der Terminsgebühr.

Rz. 8

bb) Schließlich verweist der Beschwerdeführer ohne Erfolg auf die Gesetzesbegründung. Danach soll die in Abs. 3 der Vorbemerkung bestimmte Terminsgebühr sowohl die bisherige Verhandlungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO a.F. als auch die Erörterungsgebühr gem. § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO a.F. ersetzen. Die Abgeltung von außergerichtlichen Besprechungen wird im Gesetzentwurf damit begründet, dass der Anwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen soll. Deshalb soll die Terminsgebühr "auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insb. wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen. Solche Besprechungen sind bisher nicht honoriert worden. In der Praxis wird deshalb ein gerichtlicher Verhandlungstermin angestrebt, in dem ein ausgehandelter Vergleich nach 'Erörterung der Sach- und Rechtslage' protokolliert wird. ... Den Parteien wird durch den vorgeschlagenen erweiterten Anwendungsbereich der Terminsgebühr oft ein langwieriges und kostspieliges Verfahren erspart bleiben" (BT-Drucks. 15/1971, 209). Die Wahl des Begriffs "Besprechung" in der Begründung des Gesetzentwurfs deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber dem Rechtsanwalt nur außergerichtliche Besprechungen im Wortsinne vergüten wollte. Hätte der Gesetzgeber jeglichen außergerichtlichen Austausch über moderne Kommunikationsmittel als Besprechung anerkennen wollen, so hätte er dies in der Gesetzesbegründung erwähnen und in der Neuregelung deutlich machen müssen. Gegen einen solchen Willen des Gesetzgebers spricht der in dem Entwurf dargelegte Zweck der Vergütung von außergerichtlichen Besprechungen. Der durch die Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG-VV erweiterte Gebührentatbestand zielt darauf ab, einen Rechtsanwalt, der durch außergerichtliche Einigungsbemühungen eine Beendigung des Verfahrens zu erreichen und damit einen gerichtlichen Termin überflüssig zu machen versucht, dafür zu entlohnen. Da ein Verhandlungstermin dem mündlichen Meinungsaustausch dient, liegt es - wie das Beschwerdegericht ausführt - nahe, auch nur eine mündliche oder zumindest fernmündliche Kontaktaufnahme als Äquivalent in den Abgeltungsbereich der Terminsgebühr einzubeziehen.

Rz. 9

b) Auch nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV steht dem Prozessbevollmächtigten des Klägers eine Terminsgebühr nicht zu. Diese Bestimmung findet nach ihrem Wortlaut nur auf solche Verfahren Anwendung, in denen eine mündliche Verhandlung grundsätzlich vorgeschrieben ist, die aber im Einverständnis mit den Parteien oder gem. § 307 ZPO oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder durch einen schriftlichen Vergleich beendet werden. Sie greift bei Beschlüssen, die gem. § 128 Abs. 3 und 4 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen können, nicht ein (BGH, Beschl. v. 25.9.2007 - VI ZB 53/06, NJW 2008, 668 Tz. 6 m.w.N.; v. 15.3.2007 - V ZB 170/06, NJW 2007, 2644 Tz. 7; v. 1.2.2007 - V ZB 110/06, NJW 2007, 1461 Tz. 19). Dazu gehören auch Kostenentscheidungen nach § 91a Abs. 1 ZPO (BGH, Beschl. v. 25.9.2007, a.a.O.). Eine analoge Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV kommt mangels einer planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht, da der Gesetzgeber den Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung mit der Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss trotz verschiedener Änderungen der ZPO und der maßgeblichen Kostenvorschriften nicht in diese Ausnahmevorschrift aufgenommen hat (BGH, Beschl. v. 25.9.2007, a.a.O., Tz. 8).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2279992

NJW 2010, 381

FamRZ 2010, 26

CR 2010, 335

JurBüro 2010, 81

AnwBl 2010, 142

Rpfleger 2010, 109

VersR 2010, 85

ZfS 2009, 705

AGS 2009, 530

FF 2010, 85

HRA 2009, 3

ITRB 2010, 83

Info M 2010, 90

K&R 2009, 803

MMR 2010, 67

NJW-Spezial 2009, 779

RVGreport 2009, 463

r+s 2010, 352

RVG prof. 2010, 19

Rafa-Z 2010, 2

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge