RVG VV Nrn. 1000, 3104, 3202; ZPO § 278 Abs. 6

Leitsatz

  1. Wird in einem Rechtsstreit in zweiter Instanz, in dem zunächst die mündliche Verhandlung vorgesehen war, durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs gem. § 278 Abs. 6 ZPO auf die mündliche Verhandlung verzichtet, so fällt nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 3202 i.V.m. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV eine Terminsgebühr an.
  2. Die Terminsgebühr gehört auch dann zu den "Kosten des Rechtsstreits", wenn in dem Vergleich ein bisher nicht rechtshängiger Anspruch einbezogen wird.
  3. Treffen die Prozessparteien in einem Vergleich eine Kostenregelung hinsichtlich der "Kosten des Rechtsstreits" einerseits und der "Vergleichsgebühr" andererseits, so bezieht sich die letztgenannte Bestimmung bei Fehlen abweichender Anhaltspunkte auf die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV.

OLG Naumburg, Beschl. v. 25.6.2010–2 W 59/10

Sachverhalt

Durch Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin die von der Beklagten an die Klägerin für die zweite Instanz zu erstattenden Kosten auf 1.828,80 EUR festgesetzt.

Der Kostenerstattung liegt ein Prozessvergleich zugrunde, dessen Zustandekommen das OLG durch Beschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt hat. In dem Vergleich haben sich die Parteien sowohl über die in dem Rechtsstreit geltend gemachte Klageforderung i.H.v. 20.880,00 EUR (Lizenzgebühren für 2006) als auch über bis dahin nicht rechtshängige Ansprüche i.H.v. 42.820,00 EUR (Lizenzgebühren für 2007 und 2008) verständigt. Hinsichtlich der Kosten heißt es unter anderem in Nr. 2 S. 2 des Vergleichs:

"Die Kosten für das Berufungsverfahren trägt die Beklagte und Berufungsklägerin mit Ausnahme der Vergleichsgebühr, diese trägt jede Partei selbst."

In Anbetracht dieser Kostenregelung hat die Rechtspflegerin bei der Festsetzung lediglich eine Verfahrens- sowie eine Terminsgebühr nach einem Gegenstandswert von 20.880,00 EUR berücksichtigt und die Erstattung darüber hinausgehender Gebühren nach einem Gegenstandswert von insgesamt 63.700,00 EUR abgelehnt.

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat, entsprechend ihrem Schriftsatz, die Festsetzung von der Beklagten zu erstattender Kosten i.H.v. insgesamt 3.164,30 EUR begehrt. Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.

Aus den Gründen

Die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattende 1,6-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV und die 1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3202 VV berechnen sich jeweils nach einem Gegenstandswert von 63.700,00 EUR, so dass zugunsten der Klägerin eine Erstattungsforderung i.H.v. insgesamt (1.796,80 EUR + 1.347,50 EUR + 20,00 EUR =) 3.164,30 EUR festzusetzen ist.

Der Ermittlung sowohl der Verfahrensgebühr als auch der Terminsgebühr zweiter Instanz ist auf Seiten der Klägerin nicht nur der Streitwert für das Berufungsverfahren i.H.v. 20.880,00 EUR zugrunde zu legen. Maßgebend ist vielmehr der vom 10. Zivilsenat durch Beschl. v. 4.1.2010 festgesetzte Gegenstandswert des Prozessvergleichs von 63.700,00 EUR.

Die Verfahrensgebühr entsteht nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Wenn – wie im vorliegenden Fall – Einigungsgespräche (auch) über Ansprüche stattfinden, die nicht Gegenstand eines laufenden oder beabsichtigten Verfahrens sind, ist die Abgrenzung zwischen der Erteilung eines gerichtlichen und der Erteilung eines außergerichtlichen Auftrages von entscheidender Bedeutung. Für einen Verfahrensauftrag genügt es, dass auch über nirgendwo rechtshängige Ansprüche eine Einigung erreicht werden soll, wenn nur von vornherein die Absicht besteht, diese im Erfolgsfall bei Gericht protokollieren oder gem. § 278 Abs. 6 ZPO feststellen zu lassen (s. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., 3100 VV Rn 20; Hartmann, KostG, 40. Aufl., VV 3100 Rn 45; vgl. auch OLG Bremen, Beschl. v. 25.3.2003–3 W 7/03, MDR 2003, 1142, 1143 [= AGS 2003, 445]). So hat es sich hier mit den Ansprüchen auf Lizenzgebühren für die Jahre 2007 und 2008 verhalten, deren sich die Klägerin gegenüber der Beklagten im Umfang von insgesamt 42.820,00 EUR berühmt hat und die – neben den im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Lizenzgebühren für das Jahr 2006 – in den am 26.11.2009 festgestellten Prozessvergleich mit einbezogen worden sind.

Auch die Terminsgebühr gem. Nr. 3202 VV haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin verdient. Das ergibt sich aus Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV, auf die Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3202 VV ausdrücklich verweist. Eine Terminsgebühr fällt aufgrund dieser Bestimmung immer dann an, wenn ein schriftlicher Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wird, und zwar unabhängig davon, ob dies im Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO oder § 495a ZPO geschieht oder die Parteien in einem Verfahren, in dem zunächst die mündliche Verhandlung vorgesehen war, durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs auf die mündliche Verhandlung verzichten (BGH, Beschl. v. 3.7.2006 – II ZB 31/05, NJW-RR 2006, 1507 f. [= AGS 2006, 488]; BGH, Beschl. v...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?