BGB §§ 745, 2038, 2039, 2040; ZPO §§ 3, 894; GVG §§ 23, 71
Leitsatz
Verlangt ein Miterbe von einem anderen Miterben die Zustimmung zur Veräußerung eines im Nachlass befindlichen Grundstücks, richtet sich der Streitwert nach der Erbquote des Klägers und nicht nach der des Beklagten.
OLG Koblenz, Versäumnisurt. v. 22.7.2010–5 U 505/10
Sachverhalt
Die Parteien gehören einer aus sechs Personen bestehenden Erbengemeinschaft an. Die Klägerin ist zu 1/2 und der Beklagte zu 1/24 beteiligt. Die Klägerin und zwei weitere Miterben schlossen mit einer Kirchengemeinde einen notariellen Vertrag über den Verkauf und die Auflassung eines Grundstücks, das den wesentlichen Teil des Nachlasses bildete. Als Kaufpreis waren 13.515,00 EUR vereinbart. Von den nicht zum Notartermin erschienenen Miterben, die vollmachtlos vertreten wurden, verweigerte der Beklagte seine Zustimmung. Deshalb verklagte ihn die Klägerin vor dem LG auf Abgabe der Genehmigung. Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Streitwert für seine Anrufung zu niedrig sei. Zuständig sei vielmehr das AG. Der Streitwert richte sich nämlich nach dem anteilig auf den Beklagten entfallenden Grundstückswert, also auf 13.515,00 EUR: 24 = 563,13 EUR. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt, die Erfolg hatte.
Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig und begründet.
a) Entgegen der Auffassung des LG übersteigt der Streitwert den gem. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG für dessen Zuständigkeit erforderlichen Mindestbetrag, weil sich das von der Klägerin verfolgte Interesse auf mehr als 5.000,00 EUR beläuft. Von daher ist gleichzeitig die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche Beschwer (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) erreicht (BGHR ZPO § 546 Abs. 1 Beschwer 3).
Die Klägerin fordert die Mitwirkung des Beklagten an der entgeltlichen Veräußerung eines ererbten Grundstücks ein. Auf diese Weise erstrebt sie die finanzielle Teilhabe an einem Nachlassgegenstand, dessen reale Teilung unter den Miterben nicht in Betracht kommt. Dabei verlangt sie letztlich ihre Erbquote. Auf den gesamten Veräußerungserlös des Grundstücks erhebt sie keinen Anspruch. Umgekehrt beschränkt sie sich freilich auch nicht darauf, den auf den Beklagten entfallenden Anteil zu reklamieren. Das bedeutet, dass sich der Streitwert weder aus dem vollen Grundstückswert ableitet (dahin jedoch noch BGH MDR 1962, 390; ähnlich auch BGH NJW 1972, 909, 910 und OLG Karlsruhe JurBüro 1992, 418), noch von dem Interesse abhängt, das der Rechtsverteidigung des Beklagten zugrunde liegt (so indessen KG Rpfleger 1962, 156; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn 3858), sondern mit einem Betrag in Höhe der Hälfte des Grundstückskaufpreises zu bemessen ist, wie er der Klägerin als Miterbin zugute kommt (BGH NJW 1975, 1415, 1416; ebenso Senat JurBüro 1991, 103; Anders/Gehle, Handbuch des Streitwerts, 2. Aufl., Erbrechtliche Streitigkeiten Rn 4; Herget, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rn 16 Erbrechtliche Ansprüche; Mümmler, JurBüro 1994, 364; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 2 Rn 21).
b) Das Verlangen der Klägerin dringt auch in der Sache durch. ... (wird ausgeführt)...
Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend. Der Streitwert einer Klage auf Zustimmung richtet sich nach dem Interesse des Klägers, das er an der Zustimmung hat, nicht nach dem Interesse des Beklagten. Das Interesse eines klagenden Miterben an der Veräußerung eines Grundstücks richtet sich nach seinem Anteil, der ihm aus der Veräußerung des Grundstücks letztlich gebührt. Der Wert des Interesses des in Anspruch genommenen Miterben an der Verhinderung ist unerheblich, da er auch bei einem noch so geringen Anteil mit der Verweigerung seiner Zustimmung das vom Kläger geplante Geschäft zunichte macht. Umgekehrt bleibe auch ein höheres Interesse des Beklagten an der Verweigerung der Zustimmung als das des Klägers an der Erteilung der Zustimmung außer Betracht.