Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Grundsätzen für die Verwaltung einer Erbschaft (bei mehreren Erben)
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 30.03.2010) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird der Beklagte unter Aufhebung des Urteils der 9. Zivilkammer des LG Koblenz vom 30.3.2010 verurteilt, die in der vom Direktor des AG a.D. [A] als amtlich bestelltem Vertreter des Notars Dr ... [B] in ... [X] aufgenommenen Urkunde vom 23.10.2009 (UR-Nr. 1209/2008) durch ... [C] als Vertreterin ohne Vertretungsmacht in seinem Namen abgegebenen Erklärungen, insbesondere die Auflassung betreffend das im Grundbuch des AG Lahnstein von ... [Y] Blatt ... unter Flur 101 Nr. 64 eingetragene Grundstück, Erholungsfläche, Bachgarten, 2,65 ar, zu genehmigen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Die Parteien gehören einer 1985 begründeten Erbengemeinschaft an, die seit dem Jahr 2008 aus sechs Personen besteht. Die Klägerin ist zu 1/2 und der Beklagte ist zu 1/24 beteiligt.
Am 23.10.2008 schlossen die Klägerin und zwei weitere Miterben einen notariellen Vertrag über den Verkauf und die Auflassung eines Grundstücks, das den wesentlichen Teil des Nachlasses bildet. Erwerber ist eine Kirchengemeinde; sie möchte auf dem Grundstück, das an ihr Gelände angrenzt, einen Kindergarten einrichten. Als Kaufpreis wurden 13.515 EUR vereinbart.
Von den nicht zum Notartermin erschienenen Miterben, die vollmachtlos vertreten wurden, verweigerte allein der Beklagte die Zustimmung. Deshalb hat ihn die Klägerin nunmehr vor dem LG auf Abgabe einer Genehmigung verklagt. Nach ihrem Vorbringen ist es praktisch unmöglich, für das Grundstück einen anderen Verkäufer als die Kirchengemeinde zu finden.
Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Streitwert für seine Anrufung zu niedrig sei. Er richte sich nämlich nach dem anteilig auf den Beklagten entfallenden Grundstückswert.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie verfolgt ihr Klageverlangen weiter; hilfsweise beantragt sie die Zurückverweisung des Rechtsstreits in die erste Instanz. Sie meint, der Streitwert sei entsprechend ihrer Erbquote mit der Hälfte des vereinbarten Kaufpreises zu bemessen.
2. Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet.
a) Entgegen der Auffassung des LG übersteigt der Streitwert den gem. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG für dessen Zuständigkeit erforderlichen Mindestbetrag, weil sich das von der Klägerin verfolgte Interesse auf mehr als 5.000 EUR beläuft. Von daher ist gleichzeitig die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche Beschwer (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) erreicht (BGHR ZPO § 546 Abs. 1 Beschwer 3).
Die Klägerin fordert die Mitwirkung des Beklagten an der entgeltlichen Veräußerung eines ererbten Grundstücks ein. Auf diese Weise erstrebt sie die finanzielle Teilhabe an einem Nachlassgegenstand, dessen reale Teilung unter den Miterben nicht in Betracht kommt. Dabei verlangt sie letztlich ihre Erbquote. Auf den gesamten Veräußerungserlös des Grundstücks erhebt sie keinen Anspruch. Umgekehrt beschränkt sie sich freilich auch nicht darauf, den auf den Beklagten entfallenden Anteil zu reklamieren. Das bedeutet, dass sich der Streitwert weder aus dem vollem Grundstückswert ableitet (dahin jedoch noch BGH MDR 1962, 390; ähnlich auch BGH NJW 1972, 909, 910 und OLG Karlsruhe JurBüro 1992, 418) noch von dem Interesse abhängt, das der Rechtsverteidigung des Beklagten zugrunde liegt (so indessen KG Rpfl. 1962, 156; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rz. 3858), sondern mit einem Betrag in Höhe der Hälfte des Grundstückskaufpreises zu bemessen ist, wie er der Klägerin als Miterbin zugute kommt (BGH NJW 1975, 1415 [1416]; ebenso OLG Koblenz, JurBüro 1991, 103; Anders/Gehle, Handbuch des Streitwerts, 2. Aufl., Erbrechtliche Streitigkeiten Rz. 4; Herget in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rz. 16 Erbrechtliche Ansprüche; Mümmler JurBüro 1994, 364; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 2 Rz. 21).
b) Das Verlangen der Klägerin dringt auch in der Sache durch. Die Erbengemeinschaft hat in ihrer Gesamtheit einen Anspruch darauf, dass der Beklagte dem notariellen Vertragsschluss vom 23.10.2008 zustimmt und so die darin vorgesehene Grundstücksveräußerung ermöglicht, die gem. § 2040 BGB nicht ohne sein Einverständnis vorgenommen werden kann. Diesen Anspruch darf die Klägerin nach § 2039 BGB im eigenen Namen geltend machen.
Er ergibt sich aus § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil das streitige Grundstücksgeschäft eine Verwaltungsmaßnahme im Sinne der Vorschrift ist, die - wie die unmittelbare Beteiligung von drei Miterben am notariellen Vertragsschluss und dessen Genehmigung durch zwei weitere Miterben zeigen - aufgrund einer mehrheitlichen Entscheidung durchgeführt werden soll. Es ist anerkannt, dass sich die Verwaltung eines Nachlasses nicht in dessen Sicherung, Erhaltung und Nutzung erschöpft, sondern auch die Veräußerung von Nachlassgegenständen umfasst (BGH NJW 2006, 439 [440]; Gergen i...