RVG § 7 Abs. 1, 2 RVG VV Nr. 1008 BGB § 366

Leitsatz

  1. Wird der Anwalt in derselben Angelegenheit von mehreren Auftraggebern beauftragt, so entsteht eine so genannte "eigenartige Gesamtschuld", wonach die Auftraggeber zum Teil alleine haften und zum Teil gesamtschuldnerisch.
  2. Die Gesamtschuld berechnet sich aus der Summe der Beträge, für die die Aufraggeber nach § 7 Abs. 1 S. 1 RVG alleine haften, abzüglich des Betrages, auf den sie gem. § 7 Abs. 2 S. 2 RVG insgesamt haften.
  3. Zahlungen eines Mandanten sind nach § 366 BGB zunächst auf die eigene Schuld zu verrechnen und dann erst auf die Gesamtschuld.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.3.2009 – I-24 U 150/08

1 Aus den Gründen

Wird der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig, erhält er die Gebühren nur einmal; jeder der Auftraggeber schuldet die Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre (§ 7 Abs. 1 u. Abs. 2 S. 1 RVG). Der Rechtsanwalt kann aber insgesamt nicht mehr als die nach den zusammengerechneten Werten der verschiedenen Gegenstände berechneten Gebühren und die insgesamt entstandenen Auslagen fordern (§ 7 Abs. 2 S. 2 RVG). Da die jeweiligen Einzelhaftungen gem. § 7 Abs. 2 S. 1 RVG zusammen die Vergütung übersteigen, die der Anwalt insgesamt nach § 7 Abs. 1 RVG (im Folgenden: Gesamtvergütung) erhält, besteht für einen Teil dieser Gesamtvergütung ein Gesamtschuldverhältnis der Auftraggeber. Zur Berechnungsweise dieser "eigenartigen Gesamtschuld" (Riedel/Sußbauer/Fraunholz, RVG, 8. Aufl., § 7 Rn 47) und der Einzelhaftungen verweist der Senat auf die überzeugende Darstellung von Schneider (ZAP 2008, Fach 24, S. 1107 ff.), die der bisherigen Praxis des Senats entspricht.

 
Praxis-Beispiel

a) Gesamtvergütungsanspruch

Beträge in EUR

Gegenstandswert

 
Kündigung Beklagter zu 1) 23.490,00  
Kündigung Beklagte zu 2) 91.350,00  
Schadensersatzanspruch der Mandanten 120.000,00  
Abwehr gegnerischer Schadensersatzanspruch 350.000,00  
Summe Gegenstandswert 584.840,00
1,5-Geschäftsgebühr   4.944,00
1,5-Einigungsgebühr   4.944,00
Pauschale gem. Nr. 7002 VV   20,00
Mehrwertsteuer 16 %   1.585,28
Gesamtbetrag 11.493,28

b) Einzelhaftung Beklagter zu 1)

Beträge in EUR

Gegenstandswert

 
Kündigung 23.490,00  
Schadensersatzanspruch der Mandanten 66.666,67  
Abwehr gegnerischer Schadensersatzanspruch 194.444,44  
Summe Gegenstandswert 284.601,11
1,5-Geschäftsgebühr   3.255,00
1,5-Einigungsgebühr   3.255,00
Pauschale gem. Nr. 7002 VV   20,00
Mehrwertsteuer 16 %   1.044,80
Gesamtbetrag 7.574,80

c) Einzelhaftung Beklagte zu 2)

Beträge in EUR

Gegenstandswert

 
Kündigung 91.350,00  
Schadensersatzanspruch der Mandanten 53.333,33  
Abwehr gegnerischer Schadensersatzanspruch 155.555,55  
Summe Gegenstandswert 300.238,88
1,5-Geschäftsgebühr   3.432,00
1,5-Einigungsgebühr   3.432,00
Pauschale gem. Nr. 7002 VV   20,00
Mehrwertsteuer 16 %   1.101,44
Gesamtbetrag 7.985,44

d) Gesamtschuldnerische Haftung

Die errechneten Beträge der Einzelhaftung sind zu addieren. Für den nach Abzug des oben unter a) errechneten Gesamtvergütungsanspruchs verbleibenden Differenzbetrag haften die Beklagten als Gesamtschuldner.

Beträge in EUR

 
Einzelhaftung Beklagter zu 1) 7.574,80

Einzelhaftung Beklagte zu 2)

Zwischensumme:

7.985,44

15.560,24
abzüglich Höhebegrenzung der Gesamtvergütung aus § 7 Abs. 1 RVG -11.493,28
Gesamtschuldnerische Haftung 4.066,96

e) Alleinige Haftung beider Beklagten jeweils

Beklagter zu 1): 7.574,80 EUR Einzelhaftung – 4.066,96 EUR Gesamtschuld = 3.507,84 EUR

Beklagte zu 2): 7.985,44 EUR Einzelhaftung – 4.066,96 EUR Gesamtschuld = 3.918,48 EUR

f) Teilerfüllung durch Zahlung der Beklagten zu 2)

Die Zahlung der Zweitbeklagten (4.343,20 EUR) ist in Anwendung von § 366 Abs. 2 BGB zunächst auf denjenigen Anteil ihrer Verbindlichkeit zu verrechnen, für den sie allein haftet (ebenso Schneider a.a.O.), da der Spitzenbetrag, für den nur ein Auftraggeber haftet, weniger sicher ist als die gesamtschuldnerische Forderung (vgl. BGH NJW-RR 1993, 242; OLG Düsseldorf NJW 1995, 2565). Nur soweit die Zahlung den Betrag der alleinigen Haftung übersteigt, tritt Erfüllung der Gesamtschuld ein. Dies ist hier der Fall in Höhe eines Teilbetrages der Gesamtschuld von 3.918,48 EUR Alleinhaftung der Zweitbeklagten – 4.343,20 EUR Zahlung = 424,72 EUR Tilgung der Gesamtschuld.

g) Verbleibende Haftungsbeträge

Die Zweitbeklagte haftet danach nur noch gesamtschuldnerisch neben dem Erstbeklagten in Höhe von 4.066,96 EUR – 424,72 EUR = 3.642,24 EUR.

Die Haftung des Beklagten zu 1) reduziert sich auf 3.507,84 EUR Alleinhaftung + 3.642,24 EUR Gesamtschuld = 7.150,08 EUR.

Diesem Betrag hinzuzurechnen ist die zwischen den Parteien nicht streitige Honorarschuld des Beklagten zu 1) aus Beratung in einer gesellschaftsrechtlichen Angelegenheit in Höhe von 600,00 EUR (Rechnung von 20.9.2006). Er schuldet dem Kläger deshalb insgesamt 7.150,08 EUR + 600,00 EUR = 7.750,08 EUR, davon 4.107,84 EUR allein.

Mitgeteilt von VRiOLG Joachim Ziemßen, Düsseldorf

2 Anmerkung

Muss ein Anwalt seine früheren Mandanten auf ...

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