ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) GKG § 29 Nr. 2
Leitsatz
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bewirkt nach § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) ZPO lediglich, dass die bedürftige Partei zunächst vorläufig von der Zahlung der Gerichtskosten und eigener Anwaltskosten befreit wird. Das betrifft jedenfalls diejenigen Fälle, in denen die klagende Partei als Entscheidungsschuldnerin diese Kosten schuldet. Anders verhält es sich aber, wenn die bedürftige Partei freiwillig die Gerichtskosten ganz oder zum Teil übernimmt. In einem solchen Fall hat sie selbst in der Hand, ob sie Gerichtskosten trägt und in welchem Umfang das geschieht. Daraus folgt, dass die auf § 29 Nr. 2 GKG beruhende Kostenhaftung des Übernahmeschuldners von § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) ZPO unberührt bleibt.
OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 4.11.2010 – 18 W 226/10
1 Sachverhalt
Der Kläger, dem mit Beschluss des LG ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt worden war, begehrte von der Beklagten 5.453,79 EUR für die Durchführung von Reinigungsarbeiten, die er als selbstständiger Gebäudereiniger in deren Auftrag vorgenommen hatte.
Die Parteien schlossen sodann einen Vergleich, wonach die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des Vergleichs gegeneinander aufgehoben wurden.
Daraufhin forderte die Gerichtskasse den Kläger auf, einen Betrag von 732,87 EUR zu zahlen, nämlich 960,93 EUR der seitens der Staatskasse an den Klägervertreter entrichteten Rechtsanwaltsvergütung zuzüglich der hälftigen Gerichtskosten in Höhe von weiteren 179,94 EUR abzüglich der bereits entrichteten Vorschüsse in Höhe von 408,00 EUR.
Dagegen legte der Klägervertreter Erinnerung, weil dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei, woraufhin das LG die Kostenrechnung aufhob. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors, der das LG nicht abgeholfen hat.
2 Aus den Gründen
Die nach § 66 Abs. 2 GKG statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet.
Der Kläger schuldet zunächst die ihm in Rechnung gestellten Gerichtskosten nach § 29 Nr. 2 GKG, weil er sich in dem gerichtlichen Vergleich durch Vereinbarung der Kostenaufhebung verpflichtet hat, die Hälfte der Gerichtskosten zu übernehmen (§ 92 Abs. 1 S. 2 ZPO). Diese Haftung des sogenannten Übernahmeschuldners für die Gerichtskosten wird auch nicht dadurch ausgeräumt, dass das LG dem Kläger ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt hatte.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bewirkt nach § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) ZPO lediglich, dass die bedürftige Partei zunächst vorläufig von der Zahlung der Gerichtskosten und eigener Anwaltskosten befreit wird. Das betrifft jedenfalls diejenigen Fälle, in denen die klagende Partei als Entscheidungsschuldnerin diese Kosten schuldet. Anders verhält es sich aber, wenn die bedürftige Partei freiwillig die Gerichtskosten ganz oder zum Teil übernimmt. In einem solchen Fall hat sie selbst in der Hand, ob sie Gerichtskosten trägt und in welchem Umfang das geschieht. Eine Gewährung der Kostenfreiheit nach § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) ZPO würde in diesem Fall die Gefahr begründen, dass zwischen den Parteien eine einvernehmliche Kostenregelung zum Nachteil der Staatskasse vereinbart werden könnte. Daraus folgt, dass die auf § 29 Nr. 2 GKG beruhende Kostenhaftung des Übernahmeschuldners von § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) ZPO unberührt bleibt.
Nichts anderes kann für die nach § 59 RVG auf die Staatskasse übergegangenen Ansprüche des Klägervertreters auf die Rechtsanwaltsvergütung gelten. Denn anderenfalls könnte eine Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, zulasten der Staatskasse durch einen Vergleich die Ersatzansprüche der Staatskasse vereiteln.
Der Hinweis des LG in der angefochtenen Entscheidung auf den Beschluss des OLG Rostock v. 20.10.2009 – 5 W 55/09 – greift nach Auffassung des Senats nicht durch. Das OLG Rostock hat seine Entscheidung ausdrücklich auf den anders zu beurteilenden Fall der beiderseitigen – also beiden Parteien bewilligten – Prozesskostenhilfe beschränkt und betont, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in welchen einem bedürftigen Kläger ein vermögender Beklagter gegenübersteht, dem Missbrauchsargument durchaus Bedeutung zukomme.
Den Parteien bleibt es in Falle eines Vergleichs unbenommen, das Gericht nach § 91a ZPO über die Kostentragung entscheiden zu lassen, so dass der bedürftige Kläger als Entscheidungsschuldner geschützt ist, denn in diesem Fall ist die Gewähr gegeben, dass die Kosten nach der Sach- und Rechtslage verteilt werden.
Geschieht dies nicht, kommt es auch nicht darauf an, ob im konkreten Fall ein Missbrauch nicht ersichtlich ist und ob die Kostenvereinbarung der Sach- und Rechtslage angepasst war oder gar dem Vorschlag des Gerichts entsprach, denn eine Entscheidung darüber kann im Kostenverfahren nicht ergehen, welches von schwierigen materiell-rechtlichen Fragen gerade freigehalten werden soll.