GKG § 29 Nr. 1 ZPO §§ 916, 920, 929
Leitsatz
Die Gerichtskosten schuldet derjenige, dem durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt sind. Das gilt auch dann, wenn der Kostenschuldner die gerichtliche Kostenentscheidung (hier: einstweilige Verfügung) mangels Zustellung niemals zur Kenntnis erhalten hat.
AG Neuruppin, Beschl. v. 31.3.2010 – 42 C 376/08
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens erwirkte gegen den Antragsgegner eine einstweilige Verfügung, die das Gericht, bei teilweiser Zurückweisung des Antrags, am 26.11.2008 im Beschlusswege – ohne Anhörung des Antragsgegners – erließ. Nach dem Kostenausspruch dieser Entscheidung hatte der Antragsgegner ¾ der Kosten des Verfahrens zu tragen. Eine Zustellung der Beschlussverfügung durch die Antragstellerin an den Antragsgegner erfolgte nicht.
Die Justizkasse nahm den Antragsgegner mit Kostenrechnung v. 4.3.2009 auf Zahlung der anteiligen Gerichtskosten in Anspruch. Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner schriftlichen Eingabe v. 20.4.2009, bei der Landeshauptkasse am 29.4.2009 eingegangen, mit folgendem Wortlaut:
"… laut ihres Schreibens soll ich einen Rechtstreit mit … geführt haben und nun die Kosten tragen. Jedoch ist mir davon nichts bekannt. Mir ist weder eine Ladung noch ein Kostenbescheid, noch Sonstiges zugestellt worden. Ich bitte sie die Angelegenheit zu überprüfen".
Die Kostenbeamtin hat dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen, da die Kostenrechnung nach dem Inhalt der Kostengrundentscheidung richtig erstellt sei. Der Bezirksrevisor ist, unter Aufgabe seiner bisherigen gegenteiligen Rechtsansicht, zur Auffassung gelangt, dass die Kostenhaftung des Antragsgegners erst geltend gemacht werden könne, wenn die Zustellung des die Kostengrundentscheidung aussprechenden Beschlusses erfolgt und dem Kostenbeamten nachgewiesen sei.
2 Aus den Gründen
I. Der Rechtsbehelf des Antragsgegners ist als Erinnerung gegen den gegen ihn gerichteten Kostenansatz zu verstehen. Dieser Rechtsbehelf ist unbefristet und ohne Beachtung einer bestimmten Form zulässig (§ 66 Abs. 1 S. 1 GKG; Hartmann, KostG, 38. Aufl. § 66 GKG Rn 15, 18; weiteres unten unter II 4).
II. Der Rechtsbehelf der Erinnerung ist im Ergebnis jedoch erfolglos, unbegründet:
1. Die Gerichtskosten schuldet, wem durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt sind (§ 29 Nr. 1 GKG). Das Gericht hat in seinem Beschluss ausgesprochen, dass der Antragsgegner ¾ der Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
2. Der Antragsgegner hat diese gerichtliche Kostenentscheidung mangels Zustellung niemals zur Kenntnis erhalten. Die wohl überwiegende Rechtsmeinung in Praxis und Lit. geht davon aus, dass der gegen ihn gerichtete Kostenausspruch erst nach einer Zustellung der Hauptsacheentscheidung von der Justizkasse vollziehbar werde (BFH in BFH/NV 2003, 1201; KG NJW-RR 2000, 1239; OLG Bremen KostRspr. § 54 GKG Nr. 13 m. zust. Anm. Schneider; OLG Hamburg MDR 1999, 60; OLG Jena OLGR 2005, 964; OLG Koblenz NJW-RR 2000, 732 [= AGS 2000, 57]; AG Grevenbroich MDR 1999, 767; Hartmann, KostG, 39. Aufl. § 29 GKG Rn 5; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Stand Dez. 2008, Kommentar zum GKG Nrn. 1410-1425, Abschn. 5.0 Rn 17; Schröder, JurBüro 1997, 151).
Demgegenüber vertritt eine Mindermeinung die Auffassung, der Kostenausspruch des gerichtlichen Beschlusses sei auch vor Zustellung an den Antragsgegner vollziehbar (so OLG Hamm JurBüro 1997,151; LG Bremen, zitiert in Anm. zu KostRspr. § 54 GKG Nr. 13; LG Essen zitiert von Schröder in JurBüro 1997, 151; LG Neuruppin – 6 O 41/08, Beschl. v. 1.9.2008, n.v.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. § 929 Rn 4).
3. Das zur Entscheidung berufene Gericht schließt sich der Mindermeinung an. § 29 GKG spricht ausdrücklich aus, dass die Gerichtskosten schuldet, wem durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt sind.
a) Ein Teil der herrschenden Rechtsmeinung zieht in Zweifel, dass die Beschlussverfügung gegenüber dem Antragsgegner, dem sie nie zur Kenntnis gebracht worden ist, wirksam geworden sei. Es entspricht jedoch gefestigter Rechtsmeinung, dass im vorläufigen Rechtsschutz ohne Anhörung der Gegenseite erwirkte Entscheidungen auch schon vor Kundgabe an die Gegenseite wirksam werden. Schon der Eingang des Antrags auf Erlass einer Beschlussverfügung bei Gericht begründet zwischen den Parteien die Rechtshängigkeit, ein Prozessrechtsverhältnis (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. § 329 Rn 26 a.E.; 66. Aufl. § 920 Rn 8; vgl. auch BVerfG NJW 2004, 2443). Ob der Antragsgegner seine Parteistellung bereits zum Zeitpunkt der vorgezogenen Rechtshängigkeit erlangt oder erst mit seiner tatsächlichen Beteiligung ist bisher nicht abschließend geklärt (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. vor § 916 Rn 5b m. w. N.). Für ein unterschiedliches Verständnis der Wirksamkeit von Hauptsache- und Kostenausspruch gibt es keinen rechtlichen Anhaltspunkt (vgl. OLG Jena a.a.O; zweifelnd KG a.a.O).
Das Gesetz geht davon aus, dass die vom Gläubiger erwirkte Beschlussverfügung auch nach ungenutztem Abl...