Das AG hatte der Rechtssuchenden Beratungshilfe für die so bezeichnete Angelegenheit "finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht, Vermögensauseinandersetzung)" gewährt.

Die Rechtssuchende hat sich von ihrem Anwalt beraten und außergerichtlich vertreten lassen. Die Tätigkeit des Anwalts umfasste die Bereiche Kindes- und Trennungsunterunterhalt, Vermögensauseinandersetzung sowie Güterrecht.

Der Anwalt reichte vier separate Kostenberechnungen über jeweils 99,96 EUR beim AG ein und beantragte die Festsetzung einer Vergütung aus der Staatskasse in Höhe von 4 x 99,96 EUR, also insgesamt 399,84 EUR.

Die einzelnen Kostenberechnungen über Beträge von 99,96 EUR setzen sich jeweils wie folgt zusammen:

 
Praxis-Beispiel
 
Geschäftsgebühr Nr. 2503 VV 70,00 EUR
Pauschale (Post/Telekommunikation) Nr. 7002 VV 14,00 EUR
Summe 84,00 EUR
Umsatzsteuer auf die Vergütung 15,96 EUR
Summe 99,96 EUR

Der Anwalt hat für die vier einzeln abgerechneten Geschäftsgebühren nach Nr. 2503 VV die folgenden vier Tätigkeiten angegeben: Ansprüche wegen Vermögensauseinandersetzung, Ansprüche wegen Güterrecht, Ansprüche Trennungsunterhalt und Ansprüche Kindesunterhalt.

Der Anwalt hat unter Hinweis auf den unter FamRZ 2010, 230 f. veröffentlichten Beschl. d. Senats v. 12.8.2009 ausgeführt, dass es sich bei einer Beratung über Scheidung und die einzelnen Folgesachen um unterschiedliche Angelegenheiten handele.

Die Urkundsbeamtin des AG hat die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 99,96 EUR festgesetzt. Sie hat dazu ausgeführt, dass es sich unter gebührenrechtlichen Gesichtspunkten um nur eine Angelegenheit handele.

Gegen diese Festsetzung hat der Anwalt Erinnerung eingelegt.

Die Richterin am AG hat nach Nichtabhilfeentscheidung der Urkundsbeamtin die Erinnerung zurückgewiesen. Zu den Gründen hat sie ausgeführt, dass die Urkundsbeamtin zu Recht nur für einen der vier gestellten Anträge eine Festsetzung vorgenommen habe. In Angelegenheiten in Familiensachen sei grundsätzlich von vier gebührenrechtlichen Angelegenheiten auszugehen, die nach Lebenssachverhalten eingeteilt würden. Die vorliegenden Tätigkeiten umfassten alle den Lebenssachverhalt "finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung". Das Gericht folge dabei u.a. der Entscheidung des OLG Nürnberg v. 29.3.2011.

Gegen diesen Beschluss hat der Anwalt "sofortige Beschwerde" eingelegt. Die Richterin hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem LG zur Entscheidung vorgelegt.

Das LG hat mit Beschluss der Kammer die Beschwerde zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Das LG hat seine Entscheidung in Übereinstimmung mit dem AG im Wesentlichen damit begründet, dass es sich – nach umfassender Darstellung der verschiedenen Ansichten – der in der Rspr. (wohl) vorherrschend vertretenen Auffassung anschließe, dass für den bei Trennung und Scheidung auftretenden Beratungs- und Regelungsbedarf vier Komplexe (Angelegenheiten) zu bilden seien, wobei die vorliegend vom Kostengläubiger wahrgenommenen Tätigkeiten vollständig in einen dieser Komplexe fielen. Es hat dazu u.a. auch ausgeführt, dass die grundsätzliche Aufteilung in vier Komplexe den Vorteil biete, dass durch die generalisierende Behandlungsweise die Abwicklung für die Praxis handhabbar ausgestaltet werde.

Hiergegen hat der Anwalt weitere Beschwerde eingelegt.

Er begründet die weitere Beschwerde wie bereits die Erinnerung und Beschwerde damit, dass die Festsetzung nur einer Geschäftsgebühr fehlerhaft sei. Für die Trennung und deren Folgen fehle es an einer § 16 Nr. 4 RVG entsprechenden Regelung. § 16 Nr. 4 RVG gelte nur für das Verhältnis zwischen Scheidungs- und Folgesachen, nicht dagegen für das Verhältnis zwischen einzelnen Folgesachen untereinander. Der überwiegenden obergerichtlichen Rspr. sei zu entnehmen, dass Scheidung und einzelne Folgesachen unterschiedliche und nicht dieselbe Angelegenheit i.S.d. §§ 2, 6 BerHG darstellten. Stellten alle Folgen von Trennung und Scheidung als Gegenstand der Beratungshilfe dieselbe Angelegenheit dar, werfe dies die Frage auf, ob eine derartige Vergütungsbegrenzung dem Rechtsanwalt verfassungsrechtlich überhaupt zugemutet werden könne. Der Rechtsanwalt könne sich nach § 49a Abs. 1 BRAO grundsätzlich einem Auftrag im Rahmen der Beratungshilfe nicht entziehen. Er erhalte dafür nach § 44 RVG einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, der ohnehin niedrig bemessen und häufig nicht kostendeckend sei. Das Bundesverfassungsgericht gehe im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit daher auch davon aus, dass bei der Abrechnung von unterschiedlichen familienrechtlichen Gegenständen der Beratungshilfe unterschiedliche Angelegenheiten im vergütungsrechtlichen Sinne angenommen werden müssten, um eine weitere Belastung des Rechtsanwaltes zu vermeiden. Dies entspreche – unter Hinweis auf den Beschl. v. 12.8.2009 -20 W 197/09 – auch der Rspr. des Senats.

Eine Einteilung in Lebenssachverhalte stelle eine unzulässige Zusammenfass...

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