Leitsatz
Nach Rücknahme des Antrages auf Erlass des Mahnbescheides vor dem Mahngericht ist für die Kostenfestsetzung nicht das Mahngericht, sondern dasjenige Gericht zuständig, welches im Falle eines streitigen Verfahrens über die geltend gemachten Ansprüche zu befinden hätte.
OLG Hamm, Beschl. v. 9.7.2014 – I-32 SA 46/14
1 Sachverhalt
Auf Antrag der Antragstellerin ist gegen die Antragsgegnerin zunächst ein Mahnbescheid durch das AG I – Mahnabteilung – erlassen worden. Im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids hatte die Antragstellerin als Prozessgericht im Falle des Widerspruchs das AG N benannt.
Nach Eingang eines Widerspruchs, jedoch noch vor Abgabe des Verfahrens an das AG N hat die Antragstellerin den Mahnantrag zurückgenommen. Das AG I – Mahnabteilung – hat die Kosten des Verfahrens gem. § 269 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 ZPO der Antragstellerin auferlegt.
Daraufhin haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin beantragt, die Kosten festzusetzen. Das AG I – Mahnabteilung – hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass für die Kostenfestsetzung das fiktive Prozessgericht zuständig sei.
Das AG I – Mahnabteilung – hat sich daraufhin auf Antrag der Antragsgegnerin ohne vorherige Anhörung der Antragstellerin für die Entscheidung über den Antrag auf Kostenfestsetzung gem. § 104 ZPO unzuständig erklärt und die Sache an das AG N verwiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, für die Entscheidung über die Kostenfestsetzung sei das fiktive Prozessgericht zuständig (vgl. Beschluss des BGH, Beschl. v. 11.4.1991 – I ARZ 136/91).
Das AG N hat die Sache dem OLG Hamm zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es folge der Ansicht des AG I nicht und halte auch die Entscheidung des BGH für nicht überzeugend. Vielmehr schließe sich das AG N der überzeugenden Rspr. des OLG Naumburg an, nach der das Mahngericht im Falle der Nichtdurchführung des streitigen Verfahrens das "Gericht des ersten Rechtszuges" sei und bleibe und daher auch für die Kostenfestsetzung zuständig sei. Aus Sicht des AG N sprächen noch weitere Gründe für die Zuständigkeit des zentralen Mahngerichts für die Kostenfestsetzung. Die Kostenfestsetzung sei nur eine zahlenmäßige Umsetzung der Kostengrundentscheidung. Wenn jedoch das Mahngericht für die Kostenfestsetzung zuständig gewesen sei, so sei nicht zu sehen, warum mit der Umsetzung dieser Entscheidung zwangsläufig ein Gericht befasst werden solle, das mit der gesamten Sache bis dahin überhaupt nicht befasst gewesen sei. Auch spreche für die hiesige Auffassung, dass die landesweite Versendung von Akten und der damit drohende Verlust vermieden würden. Auch sei heutzutage jedes Gericht mit entsprechender Software und entsprechendem Personal ausgestattet, um eine schlichte Kostenfestsetzung vorzunehmen.
2 Aus den Gründen
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
I. Das AG I – Mahnabteilung – und das AG N haben sich beide rechtskräftig für unzuständig erklärt, das AG I – Mahnabteilung – durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss und das AG N durch seinen Vorlagebeschluss.
II. Das OLG Hamm ist gem. § 36 Abs. 1 ZPO als das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht zu der Zuständigkeitsbestimmung berufen.
C. Als zuständiges Gericht ist das AG N zu bestimmen.
I. Die Zuständigkeit des AG N folgt aus § 104 Abs. 1 S. 1 ZPO, wonach über den Festsetzungsantrag das Gericht des ersten Rechtszuges entscheidet. Das ist nach dem Verhältnis, in dem das gerichtliche Mahnverfahren zum eigentlichen Streitverfahren steht, nicht das Gericht des Mahnverfahrens, sondern das Gericht, das für den nachfolgenden Rechtsstreit zuständig wäre.
1. Das Mahnverfahren ist kein eigenständiges Streitverfahren, sondern ein diesem nur vorgelagertes Verfahren zur vereinfachten und beschleunigten Erlangung eines Vollstreckungstitels (BGH NJW 1991, 2084). Als Gericht des ersten Rechtszugs ist daher nach Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids dasjenige Gericht für die Kostenfestsetzung zuständig, welches im Falle eines streitigen Verfahrens über die geltend gemachten Ansprüche zu befinden hätte (so die ganz h.M., vgl. BGH NJW 1991, 2081 zur insoweit vergleichbaren Zuständigkeit für die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung nach § 19 Abs. 2 S. 2 BRAGO a.F. bzw. nunmehr § 11 RVG; BayObLG Rpfleger 2003, 35 [= AGS 2003, 128]; OLG Köln NJW-RR 1999, 1737; Hk-ZPO/Gierl, 5. Aufl., § 103 Rn 9; MüKoZPO/Schulz, 4. Aufl., § 104, Rn 5; Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 104, Rn 2; Prütting/Gehrlein/Schmidt, ZPO, 6. Aufl., § 103, Rn 12; Thoma/Putzo/Hüßtege, ZPO, 34. Aufl., § 104, Rn 1; Zöller/Herget a.a.O., § 104 ZPO Rn 21, Stichwort Zuständigkeit“).
2. Soweit vertreten wird, das Mahngericht sei das nach § 11 RVG für das vereinfachte Kostenfestsetzungsverfahren zuständige Gericht des ersten Rechtszugs (vgl. OLG Naumburg NJW 2008, 1238 f.) oder zuständiges Kostenfestsetzungsgericht sei nach Rücknahme eines Mahnbescheidsantrages immer das Gericht, wel...