Leitsatz
Die Klausel eines Rechtsschutzversicherers in seinen ARB, dass die Kosten eines Vergleichs über nicht streitige Forderungen nicht vom Versicherer zu tragen sind, ist überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB und daher unwirksam.
AG Kassel, Urt. v. 8.1.2015 – 414 C 5614/13
1 Sachverhalt
Die Klägerin zu 2) verlangt von dem beklagten Rechtsschutzversicherer die Erstattung der Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten, der Klägerin zu 1), für einen Kündigungsschutzprozess, für den die Beklagte dem Grunde nach Deckungsschutz gewährt hatte. Mit der Klage vor dem ArbG war die Feststellung begehrt worden, das Anstellungsverhältnis sei weder fristlos noch fristgerecht durch eine Kündigung der Arbeitgeberin beendet worden. Vor dem ArbG wurde sodann eine Einigung erzielt, wonach das Arbeitsverhältnis infolge ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung sein Ende finde. Außerdem verpflichtete sich die Arbeitgeberseite unter anderem, der Klägerin zu 2) eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zu zahlen und ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Führungs- und Leistungsbeurteilung "gut" zu erteilen und Dritten gegenüber zukünftig jegliche negative Äußerungen über die Klägerin zu 2), insbesondere auch im Hinblick auf die Kündigungsgründe, zu unterlassen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden gegeneinander aufgehoben.
Das ArbG setzte den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf 4.000,00 EUR und für den Vergleich auf 5.500,00 EUR fest. Die Klägerin zu 1) berechnete danach ihre Gebühren und reichte die Rechnung bei der Beklagten ein. Diese verweigerte die Zahlung von Mehrkosten bezüglich der Einigungsgebühr, soweit sie durch den höheren Streitwert des Vergleichs entstanden sind. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Bestimmungen der ARB lauten auszugsweise:
§ 5 Leistungsumfang
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Der Versicherer erbringt und vermittelt Dienstleistungen zur Wahrnehmung rechtlicher Interessen und trägt |
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bei Eintritt des Rechtsschutzfalls im Inland die Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichtes ansässigen Rechtsanwalts … |
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Der Versicherer trägt nicht … |
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Kosten, die im Zusammenhang, mit einer einverständlichen Erledigung entstanden sind, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist; … |
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Kosten im Rahmen einer einverständlichen Regelung für Forderungen, die selbst nicht streitig waren oder Kosten, die auf den nicht versicherten Teil von Schadensfällen entfallen. |
Die Klägerin zu 2) behauptet, angesichts der massiven Vorwürfe ihr gegenüber sei die Erteilung eines Zeugnisses der Notenstufe "gut" durch den Arbeitgeber nicht zu erwarten gewesen und der Arbeitgeber habe die erhobenen Vorwürfe bereits gegenüber Dritten publik gemacht. Aus diesem Grund habe die Bekl. auch für diese Gegenstände Rechtsschutz gewähren müssen. Sie ist der Meinung, die Regelung des § 5 Abs. 3 Buchst. h) der ARB der Beklagten sei überraschend und stelle eine unangemessene Benachteiligung der Versicherungsnehmer dar.
Nachdem die Klägerin zu 1) zunächst Zahlung der restlichen Honorarforderung an sich aus abgetretenem Recht der Klägerin zu 2) begehrt hatte, hat die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin zu 1) gerügt. Die Klägerin zu 2) hat sodann nach vorsorglicher Rückabtretung der Ansprüche durch die Klägerin zu 1) den Rechtsstreit auf Klägerseite übernommen. Die Beklagte hat dem Parteiwechsel widersprochen. Die Klägerin zu 2) beantragt nunmehr die Verurteilung der Beklagten, sie von der Resthonorarforderung freizustellen.
Die Klage hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Klage ist begründet. Die Klägerin zu 2) hat gegen die Beklagten Anspruch auf Freistellung von der Resthonorarforderung der Klägerin zu 1) wegen des vor dem ArbG geschlossenen Vergleichs aus dem zwischen der Klägerin zu 2) und der Beklagten unstreitig bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag.
Der Anspruch der Klägerin zu 2) auf Kostenübernahme auch der durch den Mehrvergleich entstandenen Kosten wird nicht durch die Regelung des § 5 Abs. 3 Buchst. h) der ARB der Beklagten ausgeschlossen. Nach dieser Vertragsbestimmung trägt die Beklagte nicht "Kosten im Rahmen einer einverständlichen Regelung für Forderungen, die selbst nicht streitig waren oder Kosten, die nicht auf den nicht versicherten Teil von Schadensfällen entfallen".
Diese Bestimmung ist gem. § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden, denn es handelt sich um eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen so ungewöhnlich ist, dass der Vertragspartner des Verwenders, vorliegend der Beklagten mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Bei der Regelung des § 5 Abs. 3 Buchst. h) ARB 2010 handelt es sich unzweifelhaft um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die die Beklagte ihren Versicherungsnehmern bei Vertragsschluss stellt,...