Wer liest, ist im Vorteil – 2. Teil
Um es direkt vorwegzunehmen, die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main entspricht der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung; das OLG Frankfurt stellt – bei sorgfältiger Durchsicht und richtiger Bewertung – als nunmehr drittes OLG (nach Nürnberg und Düsseldorf) fest, dass die Vorbem. 2.3 VV wörtlich zu nehmen ist, so dass lediglich die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages die Geschäftsgebühr auslösen kann, während die Erstellung eines einseitigen Schriftstückes, also die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Einzeltestamentes, dem Beratungsbereich zuzuordnen ist, mit der Folge, dass hier § 34 RVG Anwendung findet.
Anders als in § 118 Abs. 1 S. 1 BRAGO nachzulesen, wird das Entwerfen von Urkunden in der hier relevanten Vorschrift (Vorbem. 2.3 VV) nicht mehr erwähnt.
Gleichwohl entsprach es längere Zeit der überwiegenden Auffassung in der Lit., dass auch das Entwerfen einer einseitigen Willenserklärung, also auch der Entwurf eines Testaments, eine Geschäftsgebühr auslösen könne.
Nachdem das OLG Nürnberg aber bereits diesen Literaturmeinungen unter Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut entgegengetreten war, wurde in den meisten Kommentaren davor gewarnt, sich auf die bisher veröffentlichten Literaturmeinungen zu verlassen. Es wurde die Empfehlung ausgesprochen, eine Gebührenvereinbarung zu treffen, die dem zu erwartenden Arbeitsaufwand, der hohen Verantwortung und insbesondere dem extrem hohen Haftungsrisiko auch bei der Erstellung eines einseitigen Testaments gerecht werden kann.
Wendet man die hier übereinstimmende Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nämlich an, so führt das Unterlassen einer Gebührenvereinbarung nach § 34 RVG dazu, dass man sich – jedenfalls wenn ein Verbraucher i.S.v. § 13 BGB betroffen ist – mit dem Höchstbetrag von 250,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer zufriedengeben muss. Hier darf nochmals nachdrücklich auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf verwiesen werden.
Dementsprechend wird in Seminaren auf diese verschärfte Rechtslage hingewiesen, und den Kollegen wird äußerst vorsorglich empfohlen, die nach dieser Rechtsprechung notwendige Gebührenvereinbarung nach § 34 RVG zu Beweiszwecken nicht nur schriftlich festzuhalten, sondern auch die strengen Formalien von § 3a RVG (Vergütungsvereinbarung) zusätzlich einzuhalten, für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass das angerufene Gericht der älteren Literaturmeinung oder etwa Bischof in seiner neuesten Auflage noch folgt und von einer Geschäftsgebühr ausgeht.
Stellt sich die zwischen dem Mandanten und dem Rechtsanwalt getroffene Vereinbarung (weil dem Bereich der Geschäftsgebühr zugeordnet) nämlich tatsächlich als eine Vergütungsvereinbarung dar, so führt deren mögliche Fehlerhaftigkeit dann dazu, dass sich der Rechtsanwalt mit dem Gebührenrahmen von Nr. 2300 VV aus dem entsprechenden Gegenstandswert begnügen muss.
Es kann also nur empfohlen werden, hier den sichersten Weg zu gehen.
Die hier kommentierte Entscheidung war dankenswerterweise übrigens von einem Seminarteilnehmer zur Verfügung gestellt worden, der irrigerweise das Urteil für einen Beleg dafür hielt, dass auch der Entwurf eines Testaments keine Beratung sei, sondern die Geschäftsgebühr auslöse. Dem ist entgegenzuhalten, dass hier ersichtlich nicht die Erstellung eines Einzeltestamentes Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit war, sondern – und hier wird die Übereinstimmung mit den Entscheidungen des OLG Nürnberg und Düsseldorf offenbar – die Erstellung des Entwurfs eines gemeinsamen Testaments und damit die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages. Diese Bewertung findet sich auch im Urteil des OLG Düsseldorf:
"Demgegenüber wird der Entwurf eines gemeinschaftlichen Testamentes von der Geschäftsgebühr umfasst, weil die wechselbezüglichen Verfügungen als Vertrag anzusehen sind".
Dass hier ausschließlich der Entwurf eines gemeinschaftlichen Testamentes und damit der Entwurf eines Vertrages zur Beurteilung stand, wird in dem Urteil nicht nur mehrfach erwähnt und hervorgehoben, sondern wird auch daran deutlich, dass die Beratung des Rechtsanwalts über die zusätzliche Möglichkeit, jeweils Einzeltestamente zu errichten, am ursprünglichen Gegenstand des Mandates (Mitwirkung bei der Erstellung eines gemeinschaftlichen Testaments) nichts mehr habe ändern können.
Viel deutlicher kann man es eigentlich nicht zum Ausdruck bringen.
Herbert P. Schons, Duisburg
AGS 11/2015, S. 505 - 507