Leitsatz
- Regelungen, die ein freiwilliges Entgegenkommen der einen Partei darstellen, um die andere Partei dazu zu bewegen, den Vergleich abzuschließen und den bestehenden Rechtsstreit aus der Welt zu schaffen, erhöhen hingegen den Gegenstandswert des Vergleichs nicht (Anschluss an OLG Karlsruhe NJW-RR 2009, 444).
- Regelungen der weiteren Nutzung angemieteter Räumlichkeiten vermögen im Rahmen von Räumungsklagen keine Erhöhung des Streitwertes zu begründen. Entsprechendes gilt, wenn der Mieter auf einen ihm zustehenden prozessualen Anspruch auf gerichtliche Bewilligung einer Räumungsfrist im Vergleichswege verzichtet.
AG Hamburg, Beschl. v. 27.6.2016 – 25a C 44/16
1 Aus den Gründen
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 41 Abs. 1 GKG.
Ein überschießender Streitwert war nicht festzusetzen. Insbesondere hat nicht der Verzicht der Beklagten auf einen Räumungsfristantrag nach §§ 794a, 721 ZPO zu einem erhöhten Vergleichsstreitwert geführt. Zwar wird in der Rspr. vertreten, dass einem solchen Verzicht ein eigener Gegenstandswert zukomme, da es sich bei dem Räumungsfristantrag um einen werthaltigen, prozessualen Anspruch handele, der mithin bei der Bemessung des Streitwertes selbstständig in Ansatz zu bringen sei (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2009 – 24 W 16/09, Rn 18 [= AGS 2009, 496]; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.3.2011 – 5 U 137/10, Rn 30). Diese Auffassung wird diesseits jedoch nicht geteilt.
Der Wert eines Vergleichs bestimmt sich nach den rechtshängigen und nicht rechtshängigen Ansprüchen, die durch den Vergleich erledigt werden, nicht aber nach dem Wert dessen, was Parteien durch den Vergleich erlangen oder welche Leistungen sie übernehmen (Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl., 2016, m.w.N.). Ein Vergleichsmehrwert kann daher nur bezüglich solcher wechselseitigen Ansprüche gegeben sein, die zwischen den Parteien sei es gerichtlich oder außergerichtlich im Streit stehen.
Regelungen, die ein freiwilliges Entgegenkommen der einen Partei darstellen, um die andere Partei dazu zu bewegen, den Vergleich abzuschließen und den bestehenden Rechtsstreit aus der Welt zu schaffen, erhöhen hingegen den Gegenstandswert des Vergleichs nicht (s. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.1.2008, NJW-RR 2009, 444 [= AGS 2008, 569]). Vor diesem Hintergrund wird etwa in der Rspr. für den Fall eines Räumungsvergleichs die Erhöhung des Streitwerts um eine vereinbarte Umzugshilfe verneint (s. OLG Karlsruhe a.a.O. m.w.N.; Zöller-Herget, a.a.O.).
Zudem vermögen Regelungen der weiteren Nutzung angemieteter Räumlichkeiten im Rahmen von Räumungsklagen von vornherein keine Erhöhung des Streitwertes zu begründen.
Dies gilt etwa für die Entscheidung über die befristete oder unbefristete Verlängerung des Mietverhältnisses nach einem Sozialwiderspruch nach den §§ 574 ff. BGB, wie in § 41 Abs. 3 GKG nochmals ausdrücklich festgeschrieben wird (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 12. Aufl., 2015, § 574a Rn 21; Meyer-Abich, NZM 2016, 329, 344). Der Streitwert der Klage richtet sich in diesen Fällen selbst bei einer Widerklage auf Fortsetzung des Mietverhältnisses nach dem Wert der Klage, da beide Streitgegenstände wirtschaftlich identisch sind (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O.). Auch bei diesen Verfahren wird, wie bei einem Räumungsschutzantrag, über eine ebenfalls regelmäßig befristete Fortdauer der Nutzung durch den Mieter entschieden.
Ebenso ist der (unselbstständige) Antrag auf Bewilligung einer Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO im Rahmen eines Räumungsurteils weder bei der Bewilligung noch bei der Zurückweisung des Räumungsschutzantrages streitwerterhöhend zu berücksichtigen (vgl. Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, a.a.O., § 721 ZPO Rn 48; Zöller-Stöber, a.a.O., § 721 ZPO Rn 15). Bei der Verteilung der Kosten des Räumungsrechtsstreits bleibt eine Entscheidung über einen Räumungsfristantrag ebenfalls unberücksichtigt (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, a.a.O.). Dies ist nicht zuletzt deshalb sachgerecht, da eine Räumungsfrist auch von Amts wegen zugesprochen werden kann.
Entsprechendes gilt, wenn der Mieter – wie hier – auf einen ihm zustehenden prozessualen Anspruch auf gerichtliche Bewilligung einer Räumungsfrist im Vergleichswege verzichtet. Insoweit gilt für die Bewilligung einer Räumungsfrist im Vergleichswege nichts anderes als für den Fall, dass eine Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1 ZPO im Urteilswege gewährt wird. Letztlich geht es (auch) hierbei nur um die Regelung der Art und Weise der Räumung und Herausgabe, die bereits durch den Räumungsstreitwert nach § 41 Abs. 1 GKG abgedeckt ist. Zu einer Erhöhung des nach § 41 Abs. 1 GKG zu berechnenden Streitwerts kommt es in diesen Fällen nicht.
Danach steht der beantragten Wertfestsetzung nicht nur ein anzunehmendes freiwilliges Entgegenkommen der beklagten Mieter, sondern darüber hinaus die grundsätzliche Unbeachtlichkeit von Räumungsschutzanträgen und -regelungen für den Streitwert einer Räumungsklage entgegen.
2 Anmerkung
Wird nach Kündigung eines Mietverhältnisses der Räumungsprozess geführt, so endet dieses Verfahren häufig mit einem Räumungsverglei...