Leitsatz
Wird ein Scheidungsantrag zurückgenommen und wird später erneut die Scheidung beantragt, liegen zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten vor, so dass die Verfahrensbevollmächtigten ihre Vergütung jeweils gesondert erhalten. Es kommt nicht darauf an, ob seit Rücknahme des ersten Scheidungsantrags bis zur Einreichung des neuen Scheidungsantrags mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind.
AG Ludwigshafen, Beschl. v. 31.8.2016 – 5d F 19/15
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin hatte am 9.4.2014 beim FamG die Scheidung eingereicht und vorgetragen, die Ehegatten würden seit Dezember 2012 getrennt leben. Der Antragstellerin war Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten bewilligt worden. Der Antragsgegner hatte der Scheidung widersprochen und vorgetragen, dass die Eheleute noch bis zum 13.2.2014 zusammengelebt hätten. Daraufhin nahm die Antragstellerin ihren Scheidungsantrag zurück. Auf Antrag zahlte die Landeskasse der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die ihr für das Verfahren zustehende Vergütung aus. Am 21.1.2015 beantragte die Antragstellerin erneut die Scheidung und begründete ihren Antrag nunmehr entsprechend dem Vortrag ihres Ehemannes damit, dass die Eheleute seit dem 13.2.2014 getrennt leben würden. Der Antragstellerin wurde wiederum Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer vormals bereits beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten bewilligt. Aufgrund eines Versöhnungsversuchs wurde das Verfahren nicht mehr weiter betrieben. Die Akte wurde im Januar 2016 gem. § 7 Abs. 3 AktO als erledigt weggelegt. Für dieses Verfahren beantragte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin daraufhin ebenfalls die Festsetzung ihrer Vergütung. Die Urkundsbeamtin hat antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Bezirksrevisorin, die der Auffassung ist, beide Scheidungsverfahren seien eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG, so dass die Vergütung nur einmal entstanden sei. Da die Vergütung bereits im ersten Verfahren ausgezahlt worden sei, komme eine weitere Vergütung und deren Festsetzung hier nicht in Betracht. Eine Ausnahme gelte nur nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG, wenn zwischen der Erledigung des ersten Scheidungsverfahrens und Einleitung des erneuten Scheidungsverfahrens mehr als zwei Kalenderjahre vergangen wären, was hier aber nicht der Fall gewesen sei.
2 Aus den Gründen
Die Berechnung des beantragten Betrages ist gebührenrechtlich nicht zu beanstanden.
Entgegen dem Vorbringen der Bezirksrevisorin steht der Festsetzung nicht § 15 Abs. 5 RVG entgegen.
Zuzustimmen ist der Bezirksrevisorin darin, dass § 15 Abs. 5 RVG die Intention des Gesetzgebers zugrunde liegt, dass in derselben Angelegenheit Gebühren für dieselben Tätigkeiten nur einfach entstehen können und nur ausnahmsweise bei einer mehr als zwei Jahre unterbrochenen Tätigkeit ein weiterer Gebührenanspruch entstehen soll, weil nach so langer Zeit davon ausgegangen werden kann, dass eine völlige Wiedereinarbeitung erforderlich ist.
Die Anwendung von § 15 Abs. 5 RVG setzt jedoch voraus, dass es sich bei der wieder aufgenommenen bzw. weiter betriebenen Tätigkeit um dieselbe Tätigkeit handelt. Dies ist bei den beiden nacheinander anhängig gemachten Scheidungsanträgen schon deshalb nicht der Fall, weil mit der Rücknahme des ersten Scheidungsantrags das gerichtliche Verfahren vollständig erledigt war und damit auch der ursprüngliche Auftrag. Dem anschließend anhängig gemachten Scheidungsverfahren lag somit ein neuer Auftrag zugrunde, weshalb nicht von einem einheitlichen Auftrag für beide Scheidungsverfahren ausgegangen werden kann. Darüber hinaus lag beiden Anträgen hinsichtlich des Trennungszeitpunkts unterschiedlicher, sich widersprechender Sachvortrag zugrunde, weshalb von unterschiedlichen Lebenssachverhalten auszugehen ist, die nicht als dieselbe Angelegenheit bezeichnet werden können.
AGS 11/2016, S. 509 - 510