ZPO §§ 104, 278
Leitsatz
Schließen die Parteien in einem Termin zur mündlichen Verhandlung einen umfassenden Vergleich, der bisher nicht rechtshängige Ansprüche einbezieht, ist eine Kostenregelung, wonach eine Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden, regelmäßig dahin auszulegen, dass die nur durch die Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche in den Vergleich entstehenden Teile der Terminsgebühr zu den Kosten des Vergleichs gehören (Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – VII ZB 101/06, NJW-RR 2007, 1149 = JurBüro 2007, 360 [= AGS 2007, 341]).
BGH, Beschl. v. 14.6.2017 – I ZB 1/17
1 Sachverhalt
Die Parteien hatten einen Vergleich geschlossen, der hinsichtlich der Kosten folgende Regelung enthielt:
"Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben."
Der Streitwert des Verfahrens wurde anschließend auf 10.000,00 EUR festgesetzt und der Mehrwert des Vergleichs auf 97.100,00 EUR.
Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag hat der Kläger daraufhin unter anderem eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV aus einem Streitwert von 107.100,00 EUR (1,2-Gebühr) i.H.v. 1.803,60 EUR geltend gemacht. Die Rechtspflegerin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss lediglich eine nach einem Streitwert von 10.000,00 EUR berechnete Terminsgebühr angesetzt. Die darüber hinausgehende, vom Kläger verlangte Gebührenerstattung i.H.v. weiteren 1.134,00 EUR hat sie abgelehnt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.
Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Kläger könne keine Festsetzung der zu erstattenden Terminsgebühr nach einem Streitwert von 107.100,00 EUR verlangen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Umfang der Kostenerstattung richte sich nach der im Prozessvergleich getroffenen Vereinbarung zwischen den Parteien. Dabei sei zu unterscheiden, welche Gebühren einerseits entstanden und welche Gebühren andererseits vom unterlegenen Prozessgegner zu erstatten seien. Die Vereinbarung der Parteien, die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufzuheben, bedeute, dass jede Partei die Kosten, die durch den Vergleich verursacht worden seien, selbst zu tragen habe. Dazu zähle auch die Erhöhung der Terminsgebühr, die dadurch entstanden sei, dass nach entsprechenden Erörterungen in der mündlichen Verhandlung im Vergleich weitere Ansprüche geregelt wurden, die bis dahin nicht Gegenstand des Rechtsstreits gewesen seien. Zwar sei eine Terminsgebühr nach einem Streitwert von 107.100,00 EUR entstanden, weil auch die vom Vergleich erfassten, bis dahin nicht rechtshängigen Ansprüche Gegenstand der Verhandlung im Termin gewesen seien. Dabei handele es sich indes um Kosten des Vergleichs, die nach dem Willen der Parteien gegeneinander aufgehoben werden sollten.
2 Aus den Gründen
Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass die Terminsgebühr nicht unter Einbeziehung der vom Vergleich umfassten, bis dahin jedoch nicht rechtshängigen Ansprüche festzusetzen ist.
1. Wie das Beschwerdegericht zu Recht angenommen hat, ist zwar durch die Erörterung nicht rechtshängiger Ansprüche mit dem Ziel einer Einigung die Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV aus einem Streitwert von 107.100,00 EUR entstanden (vgl. OLG Stuttgart JurBüro 2006, 640; OLG Koblenz JurBüro 2007, 138; OLG Köln JurBüro 2010, 208; LG Regensburg JurBüro 2005, 647). Das folgt bereits aus dem Wortlaut von Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV. Dabei ist ohne Bedeutung, ob es tatsächlich zu einer gütlichen Einigung kommt (BGH, Beschl. v. 20.11.2006 – II ZB 6/06, NJW-RR 2007, 286 = JurBüro 2007, 26, 27). Daraus ergibt sich aber nicht, in welchem Umfang die eine oder andere Partei nach einem Vergleichsabschluss diese Kosten zu tragen hat. Dafür kommt es auf die von den Parteien im Vergleich getroffene Kostenregelung und deren Auslegung an; ein Rückgriff auf § 98 ZPO ist im Hinblick auf die getroffene Kostenvereinbarung ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – VII ZB 101/06, NJW-RR 2007, 1149 Rn 11 = JurBüro 2007, 360). Zwischen dem Entstehen und der Erstattungsfähigkeit der Terminsgebühr ist daher zu unterscheiden (vgl. Mock, AGS 2007, 329, 333).
Im Streitfall haben die Parteien vereinbart, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits trägt und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden. Das Beschwerdegericht hat diese Kostenregelung ohne Rechtsfehler dahingehend ausgelegt, dass die Beklagte nur die unabhängig von dem Vergleichsabschluss entstandenen Kosten des Rechtsstreits tragen sollte und danach lediglich eine Terminsgebühr auf der Grundlage der bei Beginn der Erörterungen über den Vergleich bereits rechtshängigen Ansprüche zu erstatten hat.
2. Ob die nur durch die Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche in einen Vergleich entstehenden Teile der Verfahrens- und Terminsgebühr zu den Koste...