RVG §§ 45, 55; ZPO§ 104 Abs. 2

Leitsatz

Der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt hat gegen die Staatskasse auch dann einen Anspruch auf Festsetzung der Umsatzsteuer, wenn die von ihm vertretene Partei vorsteuerabzugsberechtigt ist.

OLG Braunschweig, Beschl. v. 7.8.2017 – 2 W 92/17

1 Sachverhalt

Auf Antrag der A. GmbH wurde vor dem LG ein selbstständiges Beweisverfahren geführt. Über das Vermögen der A. GmbH sodann das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. X zum Insolvenzverwalter bestimmt.

Dem Insolvenzverwalter wurde durch Beschluss des LG Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten, des Antragstellers, bewilligt. Zahlungsraten wurden nicht festgesetzt.

Der Antragsteller beantragte daraufhin die Festsetzung seiner Vergütung i.H.v. 1.226,70 EUR zzgl. 233,07 EUR Mehrwertsteuer, mithin insgesamt 1.459,77 EUR.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des LG hat die an den Antragsteller zu zahlende PKH-Anwaltsvergütung auf 1.226,70 EUR festgesetzt und darauf hingewiesen, dass die vom beigeordneten Rechtsanwalt geltend gemachte Umsatzsteuer i.H.v. 233,07 EUR abzusetzen gewesen sei, da die vertretene bedürftige Partei (der Insolvenzverwalter) zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.

Die hiergegen erhobene Erinnerung hat die Urkundsbeamtin zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es bestehe kein Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts auf Erstattung gegenüber der Landeskasse, weil der Insolvenzverwalter als Antragsteller im selbstständigen Beweisverfahren zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Trotz der bewilligten Prozesskostenhilfe könne der beigeordnete Rechtsanwalt den Umsatzsteuerbetrag auf seine Vergütung seiner Partei gegenüber in Rechnung stellen und diese könne den Betrag ihrerseits gegenüber dem Finanzamt im Wege des Vorsteuerabzuges erstattet verlangen.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Es bestehe über den erstatteten Betrag von 1.226,70 EUR hinaus ein Anspruch auch auf Erstattung der Mehrwertsteuer gegen die Staatskasse. Im Hinblick auf die erfolgte Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter würde von diesem auch bei Geltendmachung der Mehrwertsteuer gegen ihn diese nicht gezahlt werden.

Aus dem von der Staatskasse erstatteten Betrag i.H.v. 1.226,70 EUR sei die Mehrwertsteuer i.H.v. 193,945 EUR an das Finanzamt im Rahmen der Umsatzsteuererklärung abgeführt worden.

Der Antragsteller beruft sich auf die Entscheidungen der Oberlandesgerichte München v. 11.8.2016 (11 W 1281/16) u. v. 3.12.2014 (11 W 1962/14) u. Hamburg v. 19.6.2013 (4 W 60/13), nach denen die Umsatzsteuer dem PKH-Anwalt auch bei Vorsteuerabzugsberechtigung der vertretenen bedürftigen Partei zu erstatten sei.

Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

2 Aus den Gründen

1. a) Die Beschwerde des Antragstellers ist gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig, insbesondere auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG eingelegt worden.

b) Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Der Antragsteller hat gegen die Staatskasse aus § 45 ff. RVG einen Anspruch auf Erstattung von PKH-Anwaltsvergütung i.H.v. insgesamt 1.459,77 EUR (1.226,70 EUR zzgl. 233,07 EUR Mehrwertsteuer).

Zur Begründung der angefochtenen Entscheidung hat das LG ausgeführt, der beigeordnete Rechtsanwalt könne den Umsatzsteuerbetrag auf seine Vergütung seinem Mandanten gegenüber in Rechnung stellen, welcher den Betrag seinerseits gegenüber dem Finanzamt im Wege des Vorsteuerabzugs erstattet verlangen könne. Das LG schließe sich hinsichtlich der Begründung seiner Auffassung den Erwägungen des OLG Celle in dessen Beschl. v. 4.10.2013 (2 W 217/13 = NJOZ 2014, 954 ff. = JurBüro 2014, 20 [= AGS 2014, 80]) an, welches eine zu den von dem Antragsteller zitierten Entscheidungen des OLG München (JurBüro 2016, 632 [= AGS 2016, 528]) und des OLG Düsseldorf (JurBüro 2016, 580 [= AGS 2016, 485]) gegenteilige Auffassung vertrete.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der Antragsteller hat als beigeordneter Prozessbevollmächtigter gegen die Landeskasse einen Anspruch auf die gesetzliche Vergütung gem. §§ 45 ff. RVG. Dieser ist lediglich hinsichtlich der Höhe der Gebührenbeträge nach § 49 RVG begrenzt. Die gesetzliche Vergütung umfasst aber auch die Auslagen und deshalb nach Nr. 7008 VV auch die vom Anwalt abzuführende Umsatzsteuer, soweit die Leistung des Rechtsanwalts – wie vorliegend – umsatzsteuerpflichtig ist.

Der vorliegend geltend gemachte Vergütungsanspruch gem. §§ 45 ff. RVG unterscheidet sich wesentlich von dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch, für welchen eine Vorsteuerberechtigung der vertretenen Partei dem Ansatz der Umsatzsteuer entgegensteht.

Im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO kann die vorsteuerabzugsberechtigte obsiegende Partei vom erstattungspflichtigen Gegner die Erstattung der Umsatzsteuer gem. § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO nicht verlangen, weil sie die an ihren Rechtsanwalt gezahlte Umsatz...

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