ZPO § 91a; GKG-Kost.-Verz. Nrn. 1210, 1211
Leitsatz
Erklären die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt und verzichten sie auf eine Begründung eines § 91a ZPO-Beschlusses und auf Rechtsmittel hiergegen, tritt keine Ermäßigung der Gerichtsgebühr ein.
LG Aachen, Beschl. v. 22.2.2017 – 2 T 1/17
1 Sachverhalt
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hatten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und übereinstimmend auf eine Begründung des zu erlassenden Kostenbeschlusses nach § 91a ZPO verzichtet. Das AG erließ daraufhin einen Beschluss, wonach die Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu je 15 % und die Beklagte 70 % zu tragen haben. Eine Begründung enthielt der Beschluss nicht.
Das AG erstellte daraufhin eine Gerichtskostenrechnung über eine 3,0 Gebühr gem. Nr. 1210 GKG-KostVerz. aufgeteilt nach der Kostenquote.
Gegen diese Gerichtskostenrechnung legten die Kläger Erinnerung ein und beantragten, den Kostenansatz auf eine 1,0-Verfahrensgebühr zu reduzieren. Ein Verzicht auf die Begründung des Beschlusses sei nur erfolgt, da sich – nach Angabe des Richters in der mündlichen Verhandlung – dann die Gerichtsgebühren reduzieren.
Der Bezirksrevisor beim LG als Vertreter der Staatskasse wies darauf hin, dass ein Verzicht der Parteien auf eine Begründung des Beschlusses und auf ein Rechtsmittel nur in den Fällen der Nr. 1211 Nr. 2 GKG-KostVerz. zu einer Gebührenreduzierung führen könne. Eine Erstreckung auch auf den Ermäßigungstatbestand Nr. 4 widerspräche dem sich aus § 1 GKG ergebenden Analogieverbot.
Das AG hat die Gerichtskostenrechnung auf die Erinnerung hin aufgehoben. Zur Begründung führte das AG aus, dass eine Ermäßigung der Gerichtsgebühr analog Nr. 1211 Nr. 2 GKG-KostVerz. vorzunehmen sei. Jedenfalls sei die Vorschrift verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auch bei einem nicht zu begründenden Beschluss eine Gebührenermäßigung eintrete.
Hiergegen hat der Bezirksrevisor beim LG Beschwerde eingelegt. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem LG vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde des Bezirksrevisors als Vertreter der Staatskasse ist zulässig (§ 66 Abs. 2 GKG) und begründet.
Der Kostenansatz mit einer 3,0 Gerichtsgebühr gem. Nr. 1210 GKG-KostVerz. ist in der angegriffenen Gerichtskosten-Rechnung zu Recht erfolgt. Die Voraussetzungen für eine Gebührenermäßigung gem. Nr. 1211 GKG-KostVerz. (analog) liegen – entgegen der Auffassung des AG – nicht vor.
Eine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass die Parteien auf eine Begründung des § 91a ZPO-Beschlusses verzichten, sieht Nr. 1211 GKG-KostVerz. nicht vor.
Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob eine analoge Anwendung der Nr. 1211 GKG-KostVerz. angesichts des in entsprechender Anwendung von § 1 GKG bestehenden Analogieverbotes im Kostenrecht von Vornherein ausscheidet, denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen einer analogen Anwendung nicht vor.
1. Eine entsprechende Anwendung von Nr. 1211 Nr. 2 bzw. Nr. 4 GKG-KostVerz. kommt nicht in Betracht, da keine unbewusste Regelungslücke vorliegt (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 2.6.2015 – 2 W 19/15 [= AGS 2015, 400]; OLG Oldenburg, Beschl. v. 22.5.2012 – 13 W 8/12 [= AGS 2012, 528]). Der Gesetzgeber hat in Nr. 1211 Nr. 4 GKG-KostVerz. eine Ermäßigung der Gerichtsgebühr für den Fall geregelt, dass bei Erledigungserklärungen nach § 91a ZPO keine Entscheidung über die Kosten ergeht oder die Entscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung der Parteien über die Kostentragung oder der Kostenübernahmeerklärung einer Partei folgt. Zwar besteht eine Regelungslücke für den Fall, dass auf eine Begründung der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO verzichtet wird. Jedoch ist diese Regelungslücke nicht unbewusst.
Das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, mit welchem Nr. 1211 Nr. 4 GKG-KostVerz. neu eingefügt wurde, ist am 1.7.2004 in Kraft getreten. Bis zu diesem Zeitpunkt existierte eine Regelung zu § 91a ZPO in Nr. 1211 GKG-KostVerz. nicht. Dem Gesetzgeber war demzufolge die Problematik der Gebührenermäßigung im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen bekannt. Er hat sich dagegen entschieden, den streitgegenständlichen Fall in den Ermäßigungstatbestand aufzunehmen. Dass sich der Gesetzgeber bewusst dagegen entschieden hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 15/1971, 159). Zwar ist der streitgegenständliche Fall dort nicht ausdrücklich aufgeführt. Es heißt auszugsweise:
"In Rspr. und Lit. ist umstritten, ob bereits das geltende Recht in diesen Fällen [die in Nr. 1211 Nr. 4 GKG-KostVerz. geregelten] eine Gebührenprivilegierung zulässt (vgl. zum Meinungsstand: Zöller/Vollkommer/Herget, ZPO, 23. Aufl., Rn 59 zu § 91a)." (Klammerzusatz in eckiger Klammer nicht im Original).
In der in der Gesetzesbegründung angegebenen Fundstelle wird jedoch genau der Fall, dass "sich die Parteien vergleichen und die Kostenregelung dem Gericht überlassen, selbst wenn sie dabei auf die Begründung verzichten", ausdrücklich erwähnt und der Meinungsstand mit Rechtsprechungs...