Verfahren zwischen Eheleuten aus Anlass steuerlicher Veranlagung sind Familienstreitsachen nach § 266 Abs. 1 FamFG. Soweit nicht eine bezifferte Geldforderung verlangt wird (§ 35 FamGKG), richtet sich der Wert solcher Verfahren nach der Auffangvorschrift des § 42 Abs. 1 FamGKG.
Beantragt ein Ehegatte von dem anderem, dass dieser der gemeinsamen Veranlagung oder dem begrenzten Realsplitting zustimme oder daran mitwirke, ist nach § 42 Abs. 1 FamGKG eine Saldoberechnung vorzunehmen.
Einerseits ist zunächst zu ermitteln, welchen Steuervorteil der Antragsteller durch das begrenzte Realsplitting erfährt. Abzustellen ist also auf den steuerlichen Vorteil, der dem Antragsteller erwachsen wird. Andererseits ist zu ermitteln, welchen Ausgleich der Antragsteller im Gegenzug dem Antragsgegner zu zahlen hat, weil sich dessen steuerliche Last erhöht. Nur diese Differenz zwischen Steuervorteil und auszugleichendem Nachteil stellt den "Gewinn" des Antragstellers und damit sein wirtschaftliches Interesse i.S.d. § 42 Abs. 1 FamGKG dar.
Soweit Schadensersatz für die Hinzuziehung eines Steuerberaters verlangt wird, sind dessen Kosten beim Wert hinzuzurechnen. Es handelt sich insoweit nicht um Nebenforderungen i.S.d. § 37 Abs. 1 FamGKG.
Vorgerichtliche Anwaltskosten des Antragstellers zur Durchsetzung seines Anspruchs auf Zustimmung zum begrenzten Realsplitting sind dagegen Nebenforderungen i.S.d. § 37 Abs. 1 FamGKG.
Beispiel
Der geschiedene Ehemann verlangt von der Ehefrau Zustimmung zum begrenzten Realsplittung. Der Ehemann erwartet einen Steuervorteil i.H.v. 5.000,00 EUR. Für die Ehefrau würde sich ein Steuernachteil i.H.v. 1.500,00 EUR ergeben. Zusätzlich zur Zustimmung verlangt der Ehemann die Zahlung von 434,59 EUR, die für seinen Steuerberater ausgegeben hatte, damit dieser gegen den bereits – ohne Berücksichtigung des Realsplitting – ergangenen Bescheid Einspruch einlege. Des Weiteren verlangt er noch Zahlung der außergerichtlichen verzugsbedingten Anwaltskosten i.H.v. 413,64 EUR.
Der Wert des Zustimmungsantrags beläuft sich auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem eigenen Steuervorteil und dem Steuernachteil der Ehefrau (6.000,00 EUR – 1.500,00 EUR =) 4.500,00 EUR. die Kosten des Steuerberaters sind gem. § 35 FamGKG mit 434,59 EUR hinzuzusetzen (§ 33 Abs. 1 FamGKG). Die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind nach § 37 Abs. 1 FamGKG nicht hinzuzurechnen. Es ergibt sich damit ein Gesamtwert i.H.v. 5.934,59 EUR.
Damit das Gericht den Verfahrenswert zutreffend festsetzen kann, ist der Antragsteller gem. § 53 FamGKG gehalten, Angaben dazu zu machen, welche höheren Steuerrückerstattungen er durch die Zusammenveranlagung oder das begrenzte Realsplitting erwartet und welcher auszugleichende Steuernachteil im Gegenzug für den Antragsgegner voraussichtlich entstehen wird. Ergeben sich keine Anhaltspunkte, dann ist der Wert zu schätzen. Hierbei kann ggfs. auf die Werte des Vorjahres zurückgegriffen und eine überschlägige Schätzungsberechnung für das betreffende Jahr vorgenommen werden.
Ein Rückgriff auf den Auffangwert des § 42 Abs. 3 FamGKG dürfte grds. ausscheiden, da in aller Regel hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung nach § 42 Abs. 1 FamGKG gegeben sind. Nur in den wohl kaum vorkommenden Fällen, dass überhaupt keine Anhaltspunkte für den Steuervorteil zu ermitteln sind, kann auf den Auffangwert zurückgegriffen werden.
Hier ergaben sich Anhaltspunkte, nämlich dafür, dass dem Antragsteller letztlich kein "Gewinn" aus der gemeinsamen Veranlagung entstehen werde. In diesem Fall ist es sachgerecht, die unterste Wertstufe anzunehmen.
Norbert Schneider
AGS 11/2018, S. 513 - 515