RVG § 33; RVG VV Nr. 1000
Leitsatz
- Der Wertfestsetzungsbeschluss nach § 33 Abs. 1 RVG ist nicht nur dem die Wertfestsetzung beantragenden Rechtsanwalt, sondern auch der Partei persönlich zuzustellen.
- Legt die Partei sofortige Beschwerde gegen den Wertfestsetzungsbeschluss ein, bestimmt sich der Lauf der Beschwerdefrist daher nach dem Zeitpunkt der Zustellung bei ihr selber; die Zustellung des Beschlusses an den antragstellenden Rechtsanwalt ist ohne Bedeutung.
- Eine durch das Gericht nicht angewiesene Zustellung bei der Partei persönlich, kann nicht gem. § 189 ZPO aufgrund eines tatsächlichen Zuganges des Wertfestsetzungsbeschluss bei der Partei persönlich (z.B. durch eine Weiterleitung des Rechtsanwaltes) geheilt werden. Denn § 189 ZPO ist lediglich geeignet, Verfahrensverstöße bei der Zustellung oder Nachweismängel zu überwinden, nicht aber, einen fehlenden Zustellungswillen des Gerichts zu ersetzen.
- Vereinbaren Parteien in einem Vergleich, dass ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen ist und treffen diesbezüglich inhaltliche Festlegungen zum Beispiel hinsichtlich der Gesamtbeurteilung oder der Schlussformulierung, ist regelmäßig ein Vergleichsmehrwert in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes des Arbeitnehmers anzunehmen. Für die Annahme des Vergleichsmehrwertes ist eine konkrete Darlegung, dass die Parteien bereits zuvor über den Inhalt des Zeugnisses einen Streit geführt haben, entbehrlich.
- Für die vergleichsweise Vereinbarung einer Freistellung des Arbeitnehmers ist nur dann ein Vergleichsmehrwert anzunehmen, wenn sich einer der Prozessbeteiligten zuvor eines Anspruches auf Freistellung oder eines Rechts zur Freistellung berühmt hat.
LAG Bremen, Beschl. v. 1.11.2017 – 2 Ta 34/17
1 Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt erzielte er ein durchschnittliches monatliches Arbeitsentgelt i.H.v. 3.260,83 EUR brutto. Mit Schreiben vom 21.6.2017 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2017. Eine Freistellung des Klägers erklärte die Beklagte in dem Kündigungsschreiben nicht.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der durch die Beklagte ausgesprochenen Kündigung v. 21.6.2017 geltend gemacht. Mit dem verfahrensbeendenden Vergleich vom 26.7.2017 vereinbarten die Parteien unter anderem folgendes:
"3. Die Beklagte stellt den Kläger mit Wirkung ab dem 1.7.2017 unter Fortzahlung der Vergütung unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung einer Arbeitsleistung frei. Die Freistellung erfolgt unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche sowie etwaige Ansprüche aus Zeitguthaben."
[…]
6. Die Beklagte erteilt dem Kläger unter dem Ausstellungsdatum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein wohlwollendes und berufsförderndes Arbeitszeugnis mit einer guten Leistungs- und Führungsbeurteilung und den üblichen Schlussformulierungen (Bedauern, Dank und gute Wünsche). Bis zum 11.8.2017 erteilt die Beklagte dem Kläger ein Zwischenzeugnis mit einer guten Leistungs- und Führungsbeurteilung.“
Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das ArbG den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit durch Beschl. v. 3.8.2017 für das Verfahren auf 9.782,49 EUR sowie den überschießenden Vergleichsmehrwert auf 6.521,66 EUR festgesetzt. Dieser Beschluss wurde entsprechend der richterlichen Verfügung ausschließlich den Prozessbevollmächtigten des Klägers und nicht diesem persönlich zugestellt. Die Zustellung bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgte am 9.8.2017.
Gegen den Wertfestsetzungsbeschluss hat der Kläger durch Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 7.9.2017, eingegangen beim ArbG am 11.9.2017, sofortige Beschwerde im Hinblick auf die Festsetzung des übersteigenden Vergleichsmehrwerts eingelegt. Ein überschießender Vergleichsmehrwert für eine zwischen den Parteien vereinbarte Freistellung sei nicht festzusetzen, wenn sich keine der Streitparteien eines Anspruches auf bzw. eines Rechts zur Freistellung berühme. Hinsichtlich des Arbeitszeugnisses sei allenfalls ein Streitwert in Höhe des so genannten Titulierungsinteresses, nicht jedoch ein volles Bruttomonatsgehalt in Ansatz zu bringen.
Das ArbG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LAG zur Entscheidung vorgelegt. Die sofortige Beschwerde sei unzulässig, da der Beschwerdeführer die zweiwöchige Beschwerdefrist gem. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG nicht eingehalten habe. Zudem sei die Beschwerde unbegründet. Sowohl für die Vereinbarung der Freistellung wie auch für die Vereinbarung der Erteilung eines Arbeitszeugnisses mit einer bestimmten Note sei als überschießender Vergleichsmehrwert jeweils ein Bruttomonatsgehalt festzusetzen gewesen. Der sich im Streitwertkatalog der Arbeitsgerichtsbarkeit enthaltenden Auffassung, dass eine in einem Vergleich vereinbarte Freistellung lediglich dann mit einem Bruttomonatsgehalt zu bewerten sei, wenn sich eine Partei eines Anspruches auf oder eines Rechts zur Freistellung berühmt habe, sei nicht zu folgen. Zudem sei diese Voraussetzung vorlieg...