RVG VV Nr. 1000; ZPO § 91a

Leitsatz

Erklären die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt, ohne sich über die Kostenverteilung einigen zu können, die sie deshalb dem Gericht überlassen, fällt keine Einigungsgebühr an (gegen OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2016 – I-17 W 287/15 [AGS 2016, 457]).

LG Neubrandenburg, Beschl. v. 6.9.2019 – 2 T 142/19

1 Sachverhalt

Die Beklagten waren Mieter einer Wohnung, die im Eigentum der Kläger steht.

Mit Schriftsatz vom 28.9.2017 haben die Kläger das Mietverhältnis mit den Beklagten über die von ihnen bewohnte Wohnung ordentlich zum 31.10.2018 gekündigt. Im folgenden Schriftverkehr haben die Beklagten der Kündigung mit der Begründung widersprochen, dass vergleichbarer Wohnraum in der Gemeinde, der den Ansprüchen der Beklagten zu 1) aufgrund ihrer Behinderung gerecht werde, schwer zu finden sei. Ergänzend wiesen sie darauf hin, dass sie sich bemühen würden, einen neuen Wohnraum zu finden.

Die Kläger haben mit ihrer vor dem AG erhobenen Klage beantragt, festzustellen, dass das Vertragsverhältnis der Parteien über die von den Beklagten bewohnte Wohnung aufgrund der Kündigung der Kläger vom 28.9.2017 mit Ablauf des 31.10.2018 ende.

In der Klageerwiderung vom 18.10.2018 haben die Beklagten den geltend gemachten Anspruch anerkannt. Sie wiesen darauf hin, dass es ihn stets darum gegangen sei, dass kein Räumungsverfahren gegen sie betrieben werde. Nunmehr hätten sie zum 1.11.2018 eine passende Wohnung gefunden. Die streitige Wohnung werde zum 31.10.2018 an die Kläger übergeben.

Die Kläger haben den Rechtsstreit daraufhin in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, den Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Die Übergabe habe am 29.10.2018 stattgefunden, sodass der Erlass eines Anerkenntnisurteils obsolet geworden sei.

Die Beklagten haben sich der Erledigungserklärung der Kläger angeschlossen und beantragt, den Klägern die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Das AG hat den Beklagten als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Daraufhin haben die Kläger beim AG die Festsetzung ihrer Kosten – einschließlich einer Einigungsgebühr – beantragt. Begründet haben sie dies damit, dass sich die Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit den Klägern in Verbindung gesetzt und mitgeteilt habe, diese hätten die Möglichkeit zur Anmietung einer behindertengerechten Wohnung und würden die streitgegenständliche Wohnung an die Kläger übergeben. Die Übergabe habe dann auch tatsächlich stattgefunden. Nach Übergabe der Wohnung sei der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden. Sie sind der Ansicht, dass dies – auch ohne Einigung über die Kostenverteilung – unter Verweis auf den Beschluss des OLG Köln vom 9.3.2016 (17 W 287/15) eine Einigung im rechtstechnischen und gebührenrechtlichen Sinne darstelle.

Dem sind die Beklagten entgegen getreten. Sie sind der Ansicht, dass die in Ansatz gebrachte Einigungsgebühr nicht festzusetzen sei, da sie nicht entstanden sei.

Das AG hat antragsgemäß festgesetzt. Dagegen haben die Beklagten sofortige Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass die Erklärung der Erledigung des Rechtsstreites in der Hauptsache lediglich eine bloße Prozesshandlung darstelle. Allein das vorliegende Nachgeben der Beklagten im Hinblick auf das Klagebegehren stelle keine Einigung dar. Die Übergabe der Wohnung sei aufgrund der Tatsache erfolgt, dass die Beklagten doch noch eine behindertengerechte Wohnung gefunden hätten.

Das AG hat der sofortigen Beschwerde unter Verweis auf die Rspr. des OLG Köln nicht abgeholfen.

2 Aus den Gründen

Das gem. §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO als sofortige Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

1. Eine Einigungsgebühr ist nicht angefallen. Gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1000 VV entsteht die Einigungsgebühr für die Mitwirkung am Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Dieser Gebührentatbestand ist hier nicht erfüllt.

Voraussetzung ist ein wirksamer Einigungsvertrag. Dieser kann auch stillschweigend geschlossen werden. Auch eine außergerichtliche Vereinbarung genügt. Bloße Erfüllungshandlungen allein führen noch nicht zu einem Vertrag. Erbringt der Gegner de facto die Leistung, zu der dieser aufgefordert worden ist, so fehlt es an einem Vertrag. Eine einseitige prozessuale Gestaltungserklärung enthält als solche keine Vereinbarung, und zwar auch dann nicht, wenn sie eine Mitwirkung des Prozessgegners erfordert. Die Parteien können aber eine Vereinbarung treffen, dass der Kläger die Klage zurücknimmt und der Beklagte zustimmt oder der Beklagte die Klageforderung anerkennt. Damit sind die Umstände des Einzelfalls zu würdigen, ob ein Vertrag vorliegt (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., 2017, VV 1000 Rn 34, 37, 41 ff.).

Vorliegend kann daher weder in der Übergabe der Wohnung an die Kläger noch in dem Anerkenntnis der Beklagten mit Schriftsatz vom 18.10.2018 ein Einigungs...

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