RVG VV Nrn. 3104, 3105, 3203

Leitsatz

  1. Für das Entstehen einer Terminsgebühr müssen über die bloße Anwesenheit der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalts hinaus im Berufungsverfahren jedenfalls die Voraussetzungen der Nr. 3203 VV erfüllt sein.
  2. Aus den Regelungen unter Nr. 3203 VV und Nr. 3105 VV wird deutlich, dass gewisse Mindestanforderungen erfüllt sein müssen. So kann allein die Anwesenheit der Prozessbevollmächtigten ausreichend sein. Dann muss aber zumindest eine Entscheidung zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung seitens des Gerichts von Amts wegen getroffen worden sein (vgl. dazu BGH 24.1.2017 – VI ZB 21/16, Rn 14 [= AGS 2017, 174]).
  3. Wenn das Erscheinen zu einem Termin allein ausreicht, um das Entstehen einer Terminsgebühr auszulösen, ist dies im Gesetzestext ausdrücklich erwähnt. So erhält der Rechtsanwalt nach Vorbem. 4 Abs. 3 VV die Terminsgebühr auch dann, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet.

LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.8.2019 – 26 Ta (Kost) 6062/19

1 Sachverhalt

Beim LAG war für den 22.1.2019 um 9:00 Uhr ein Termin anberaumt worden. Am Morgen dieses Tages ging um 8:20 Uhr per Fax die Berufungsrücknahme der Beklagten ein. Die Geschäftsstelle wurde zeitgleich informiert. Die Vorsitzende informierte um 9:00 Uhr den in Unkenntnis der Berufungsrücknahme erschienenen Prozessbevollmächtigten der Klägerin über die Berufungsrücknahme.

Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag hat die Klägerin zunächst u.a. die Festsetzung einer 1,2-Terminsgebühr beantragt. Sie hat den Antrag nach einem entsprechenden Hinweis des ArbG auf eine 0,5-Terminsgebühr (Nr. 3203 VV) reduziert.

Das ArbG hat die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten zweiter Instanz auf 1.035,90 EUR festgesetzt und dabei eine 0,5-Terminsgebühr in Ansatz gebracht.

Hiergegen hat die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung vertritt sie die Ansicht, auch eine reduzierte Terminsgebühr sei nicht angefallen, da am Terminstag zur Terminszeit bereits kein Verfahren mehr rechtshängig gewesen sei. Die Gebühr nach Nr. 3203 VV hätte aber ein rechtshängiges Verfahren vorausgesetzt, in dem einer der im Verzeichnis genannten Anträge gestellt worden wäre. I.Ü. verweist die Beklagte auf die Vorbem. 3 Abs. 3 VV, nach der eine Terminsgebühr nur bei Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins anfalle. Wenn die Vorsitzende den Termin in Kenntnis der Berufungsrücknahme aufrufe, handele es sich dabei um eine fehlerhafte Sachbehandlung mit der Folge, dass die vermeidbaren Kosten von der Staatskasse zu tragen wären. Die zu erstattenden Kosten seien daher auf die angefallenen Reisekosten beschränkt.

Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

2 Aus den Gründen

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1) Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 104 Abs. 3, § 567 Abs. 2 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.

2) Die Beschwerde ist auch begründet.

a) In dem Kostenfestsetzungsverfahren wird nach einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Verfahrenskosten nach prozessualen Maßstäben und nach Maßgabe des Kostenrechts entschieden (vgl. BAG 28.5.2009 – 8 AZR 226/08, zu II. 1. m.w.N.).

b) Danach hat das ArbG die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten nicht zutreffend festgesetzt. Zwar sind nach Rücknahme der Berufung der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden. Zu den zu erstattenden Kosten gehört aber hier nicht eine 0,5-Terminsgebühr. Diese ist nicht angefallen. Hierfür war allein die Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Gerichtssaal ohne Hinzutreten weiterer Gesichtspunkte nicht ausreichend.

aa) Nach der Vorbem. 3 Abs. 3 VV entsteht eine Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist.

Eine 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3203 VV fällt bei Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins an. Die Gebühr entsteht, wenn eine Partei oder ein Beteiligter nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist und lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil, Versäumnisentscheidung oder zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung gestellt wird. Die Gebühr entsteht auch, wenn das Gericht bei Säumnis lediglich Entscheidungen zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung von Amts wegen trifft oder eine Entscheidung gem. § 331 Abs. 3 ZPO ergeht, wie sich aus der Bezugnahme auf die Anm. zu Nr. 3105 VV ergibt.

Aus den Anforderungen der Nr. 3203 VV wird deutlich, dass für das Entstehen einer Terminsgebühr über die bloße Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten hinaus jedenfalls die Voraussetzungen der Nr. 3203 VV erfüllt sein müssen. Zwar war es nach der Gesetzesbegründung beabsichtigt, durch die Neuregelung im RVG den Streit zu entschärfen, ob eine Erörterung oder Verhandlung stattgefunden haben muss (s. dazu BT-Drucks 15/1971, 213). Aus den Regelungen unter Nr. 3203 VV und Nr. 3105 VV wird aber ...

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