Entscheidungsstichwort (Thema)

Mindestanforderungen an das Entstehen einer anwaltlichen Terminsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für das Entstehen einer Terminsgebühr müssen über die bloße Anwesenheit der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalts hinaus im Berufungsverfahren jedenfalls die Voraussetzungen der Nr. 3203 VV RVG erfüllt sein.

2. Aus den Regelungen unter Nr. 3203 VV RVG und Nr. 3105 VV RVG wird deutlich, dass gewisse Mindestanforderungen erfüllt sein müssen. So kann allein die Anwesenheit der Prozessbevollmächtigten ausreichend sein. Dann muss aber zumindest eine Entscheidung zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung seitens des Gerichts von Amts wegen getroffen worden sein (vgl. dazu BGH 24. Januar 2017 - VI ZB 21/16, Rn. 14).

3. Wenn das Erscheinen zu einem Termin allein ausreicht, um das Entstehen einer Terminsgebühr auszulösen, ist dies im Gesetzestext ausdrücklich erwähnt. So erhält der Rechtsanwalt nach Vorbemerkung 4 Abs. 3 VV RVG die Terminsgebühr auch dann, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet.

4. Keine Entscheidung über in dieser Konstellation im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Termins evtl. erstattungsfähige sonstige notwendige Kosten, da solche hier nicht in Ansatz gebracht worden waren.

 

Normenkette

RVG-VV Vorbem. 3; RVG-VV Vorbem. 4; VV RVG Nrn. 3104-3105, 3203; ZPO § 104 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 20.03.2019; Aktenzeichen 55 Ca 9345/17)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. März 2019 - 55 Ca 9345/17 - abgeändert. Die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 794,92 Euro festgesetzt.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Festsetzung einer halben Terminsgebühr.

Beim Landesarbeitsgericht war für den 22. Januar 2019 um 9:00 Uhr ein Termin anberaumt worden. Am Morgen dieses Tages ging um 8:20 Uhr per Fax die Berufungsrücknahme der Beklagten ein. Die Geschäftsstelle wurde zeitgleich informiert. Die Vorsitzende informierte um 9:00 Uhr den in Unkenntnis der Berufungsrücknahme erschienenen Prozessbevollmächtigten der Klägerin über die Berufungsrücknahme.

Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 8. Februar 2019 hat die Klägerin zunächst ua die Festsetzung einer 1,2 Terminsgebühr beantragt. Sie hat den Antrag nach einem entsprechenden Hinweis des Arbeitsgerichts auf 0,5 Terminsgebühr (Nr. 3203 VV RVG) reduziert.

Das Arbeitsgericht hat die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten zweiter Instanz mit Beschluss vom 20. März 2019 auf 1.035,90 Euro festgesetzt und dabei eine 0,5 Terminsgebühr in Ansatz gebracht.

Die Beklagte hat gegen den ihr am 25. März 2019 zugestellten Beschluss mit einem bei dem Arbeitsgericht am 8. April 2019 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung vertritt sie die Ansicht, auch eine reduzierte Terminsgebühr sei nicht angefallen, da am Terminstag zur Terminszeit bereits kein Verfahren mehr rechtshängig gewesen sei. Die Gebühr nach Nr. 3203 VV RVG hätte aber ein rechtshängiges Verfahren vorausgesetzt, in dem einer der im Verzeichnis genannten Anträge gestellt worden wäre. Im Übrigen verweist die Beklagte auf die Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG, nach der eine Terminsgebühr nur bei Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins anfalle. Wenn die Vorsitzende den Termin in Kenntnis der Berufungsrücknahme aufrufe, handele es sich dabei um eine fehlerhafte Sachbehandlung mit der Folge, dass die vermeidbaren Kosten von der Staatskasse zu tragen wären. Die zu erstattenden Kosten seien daher auf die angefallenen Reisekosten beschränkt.

Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde mit Beschluss vom 1. Juli 2019 nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1) Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 104 Abs. 3, § 567 Abs. 2 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.

2) Die Beschwerde ist auch begründet.

a) In dem Kostenfestsetzungsverfahren wird nach einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Verfahrenskosten nach prozessualen Maßstäben und nach Maßgabe des Kostenrechts entschieden (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 226/08, zu II 1 mwN.).

b) Danach hat das Arbeitsgericht die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten nicht zutreffend festgesetzt. Zwar sind nach Rücknahme der Berufung der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden. Zu den zu erstattenden Kosten gehört aber hier nicht eine 0,5 Terminsgebühr. Diese ist nicht angefallen. Hierfür war allein die Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Gerichtssaal ohne Hinzutreten weiterer Gesichtspunkte nicht ausreichend.

aa) Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG entsteht eine Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen...

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