RVG §§ 1 Abs. 3, 3 Abs. 1 S. 1, 8, 19, 33, 56 Abs. 2; BGB §§ 195,199, 201, 209, 214 Abs. 1
Leitsatz
- Auch bei fehlerhafter gerichtlicher Rechtsbehelfsbelehrung ist als Beschwerdefrist nicht die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG, sondern allein die allgemeine Zwei-Wochen-Frist nach §§ 1 Abs. 3, 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG einschlägig, sofern der Rechtsbehelfsführer im einschlägigen Verfahrensrecht über Sach- und Rechtskenntnisse verfügt, welche bei und aufgrund anwaltlicher Vertretung regelmäßig vorausgesetzt werden können.
- Da die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung demzufolge nicht ursächlich für das Fristversäumnis gewesen war, kommt eine Wiedereinsetzung nach § 33 Abs. 5 S. 1 RVG mangels Wiedereinsetzungsgrund nicht in Betracht.
- Die Fälligkeit der anwaltlichen Vergütung nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG stellt auf den prozessualen und nicht kostenrechtlichen Begriff i.S.d. § 19 Abs. 1 RVG der 'Rechtszugbeendigung' ab. Der Rechtszug endet mit Verkündung der gerichtlichen Entscheidung und nicht erst mit Zustellung dieser.
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 3.8.2020 – L 19 AS 879/20 B
1 Sachverhalt
Das zugrundeliegende Verfahren war mit Urt. v. 13.12.2013 rechtskräftig abschlägig entschieden worden und dem Bevollmächtigten am 13.1.2014 zugegangen.
Der im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt und Beschwerdeführer begehrte am 18.12.2017 (Eingang bei Gericht: 20.12.2017) die Festsetzung seiner Vergütung gem. §§ 3 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1, 48 Abs. 1, 55 Abs. 1 S. 1 RVG gegen die Staats- bzw. Landeskasse mit der Begründung, die Geltendmachung sei aufgrund der Regelung des § 52 Abs. 5 S. 1 RVG noch fristgemäß. Die Rechtsmittelfrist beginne immer erst mit Zustellung des Urteils bzw. der Urteilsgründe.
Nach Beteiligung und Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Vertreter der Staats- bzw. Landeskasse hat der Urkundsbeamte den Antrag auf Vergütungsfestsetzung abgelehnt. Die hiergegen erhobene Erinnerung des beigeordneten Rechtsanwalts hat das SG aufgrund Verjährung des anwaltlichen Vergütungsanspruches zurückgewiesen, die Entscheidung ist unter dem 28.4.2020 zugestellt worden.
Der Anwalt verfolgte sein Begehren auch im Rahmen einer unter dem 27.5.2020 verfristet eingegangenen Beschwerde nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1, 1 Abs. 3 RVG mit der Begründung weiter, es fehle zur Erhebung der Verjährungseinrede an der Zustimmung des vorgesetzten Präsidenten sowie einer seiner Ansicht nach notwendigen Ermessensausübung.
Nach Hinweis des Senats des LSG über die verfristet eingelegte Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung, da die Rechtsbehelfsbelehrung über die Beschwerdefrist fehlerhaft gewesen sei, was auch zutraf. Die falsche Frist sei dann vom Sekretariat notiert worden. Unabhängig davon gelte ohnehin aufgrund der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG.
2 Aus den Gründen
A. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Beschwerde ist zwar nach §§ 56 Abs. 2 S. 1,33 Abs. 3 S. 1, 1 Abs. 3 RVG statthaft, aber verfristet. Denn die Beschwerde ist nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG beim SG eingelegt worden.
Der Beschluss des SG ist dem Beschwerdeführer laut Empfangsbekenntnis am 28.4.2020 zugestellt worden. Die Beschwerde ist außerhalb der Zwei-Wochen-Frist des §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG am 27.5.2020 beim SG eingegangen.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die Beschwerde nicht deswegen als fristgemäß anzusehen, weil in der Rechtsmittelbelehrung über die Beschwerdefrist falsch belehrt wurde. § 66 Abs. 2 S. 1 SGG, der bestimmt, dass, wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist, die Einlegung des Rechtsbehelfs (noch) innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig ist, ist nicht anzuwenden. Nach § 1 Abs. 3 RVG gehen die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor. Insoweit ist auch § 33 Abs. 5 RVG vorrangig (LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 15.3.2019 – L 32 AS 2265/18 B ER PKH).
Nach §, 33 Abs. 5 RVG ist auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten, er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und er die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden (S. 1 bis 3). Eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung eröffnet danach keine verlängerte Frist von einem Jahr, sondern begründet lediglich die Vermutung des Fehlens von Verschulden.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht gewährt.
Dahinstehen kann, ob der Beschwerdeführer die Zwei-Wo...