Rechtsanwalt Norbert Schneider, Abrechnung eines außergerichtlichen Mehrwertvergleichs, NJW-Spezial 2021, 539
Nach der zum 1.1.2021 in Kraft getretenen Neufassung von Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV entsteht die dort geregelte Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein Einigungsvertrag i.S.d. Nr. 1000 VV geschlossen worden ist. Aufgrund dieser Neuregelung tritt nach den Ausführungen des Autors ein Problem hinsichtlich der Berechnung der Verfahrensgebühr in den Vordergrund, das in der Praxis bisher wenig beachtet worden sei. Hierzu bildet Schneider in seinem Beitrag einen Fall, in dem sich die Parteien in einem über 5.000,00 EUR geführten Rechtsstreit außergerichtlich über die Klageforderung und weitere nicht anhängige 2.000,00 EUR geeinigt haben. Diese Einigung sieht so aus, dass der Beklagte auf beide Forderungen insgesamt 4.000,00 EUR zahlt und damit beide Ansprüche erledigt sein sollen. Aufgrund der dann erfolgten Zahlung nimmt der Kläger seine Klage vereinbarungsgemäß zurück.
In seinem Beitrag erörtert der Autor, welche Gebühren dem Prozessbevollmächtigten in dem Beispielsfall angefallen sind. Da sich die Parteien über zwei Forderungen mit einem Wert von insgesamt 7.000,00 EUR geeinigt hätten, sei zunächst einmal nach diesem Gegenstandswert eine Einigungsgebühr angefallen. Nach einem Teilwert von 5.000,00 EUR sei diese nach Nr. 1003 VV mit einem Gebührensatz von 1,0 angefallen und hinsichtlich der nicht anhängigen weiteren 2.000,00 EUR nach Nr. 1000 VV mit einem Gebührensatz von 1,5. Dabei muss nach den Ausführungen Schneiders die Gebührenbegrenzung des § 15 Abs. 3 RVG beachtet werden, wonach der Rechtsanwalt insgesamt nicht mehr als eine 1,5-Einigungsgebühr nach einem Gegenstandswert von 7.000,00 EUR berechnen dürfe.
Ferner weist der Autor darauf hin, dass auch die Terminsgebühr aus Nr. 3104 VV nach einem Gegenstandswert von 7.000,00 EUR entstanden sei. Dies ergebe sich aus der eingangs erwähnten Neufassung von Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV, die hier eingreife. Dies habe zur Folge, dass die Terminsgebühr nicht nur aus dem Wert der anhängigen Klageforderung, sondern auch aus dem Wert des mitverglichenen nicht anhängigen weiteren Anspruchs zu berechnen sei.
Der Anfall einer Einigungsgebühr und einer Terminsgebühr nach einem Gegenstandswert von 7.000,00 EUR führt nach den weiteren Ausführungen Schneiders zwangsläufig dazu, dass dem Rechtsanwalt nach diesem Gegenstandswert auch eine Verfahrensgebühr angefallen sein muss. Wenn der Rechtsanwalt an einem Einigungsvertrag mitwirkt und ihm für seine diesbezügliche Tätigkeit auch eine Terminsgebühr angefallen sei, betreibe er damit zugleich das Geschäft i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 2 VV, was die Verfahrensgebühr auslöse. Der Anfall der Verfahrensgebühr nach einem Gegenstandswert von 5.000,00 EUR mit einem Gebührensatz von 1,3 ergibt sich nach den weiteren Ausführungen Schneiders problemlos aus Nr. 3100 VV. Jedoch stelle sich die Frage, in welcher Höhe die Verfahrensgebühr nach dem Wert des nicht anhängigen Anspruchs entstanden sei. Man denkt zunächst, dass in einem solchen Fall insoweit nur eine ermäßigte Verfahrensgebühr anfällt, was der Autor jedoch verneint. Der in Nr. 3101 Nr. 2 VV geregelte Ermäßigungstatbestand, nach dem nur eine 0,8-Verfahrensgebühr entsteht, greife nämlich nicht ein. Diese Vorschrift erfordere einen vor Gericht geschlossenen Vergleich oder einen gem. § 278 Abs. 6 ZPO gerichtlich festgestellten Vergleich, was hier bei dem Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs gerade nicht vorliegen würde. Aber auch eine Erledigung des Auftrages i.S.v. Nr. 3101 Nr. 1 VV sei nicht eingetreten, weil ein Mitvergleichen eines nicht anhängigen Anspruchs keine vorzeitige Erledigung des Auftrages darstelle.
Greift somit kein Ermäßigungstatbestand für die Verfahrensgebühr hinsichtlich der nicht anhängigen Forderung ein, dann käme man zu dem nach Auffassung Schneiders kuriosen Ergebnis, dass es auch hinsichtlich der nicht anhängigen in den außergerichtlichen Vergleich einbezogenen Forderung beim Anfall einer 1,3-Verfahrensgebühr verbliebe. Folglich würde dem Prozessbevollmächtigten in dem von Schneider gebildeten Ausgangsfall eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV nach einem Gesamtgegenstandswert von 7.000,00 EUR angefallen sein. Dieses Ergebnis ist jedoch nach Auffassung des Autors seltsam. Für die Mitwirkung beim Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs würde der Rechtsanwalt nämlich eine höhere Verfahrensgebühr erhalten als bei einem gerichtlichen Vergleich, bei dem die Ermäßigung in Nr. 3101 Nr. 2 VV eingreife. Deshalb kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass im Ausgangsfall hinsichtlich des nicht anhängigen Anspruchs nur eine 0,8-Verfahrensgebühr in entsprechender Anwendung von Nr. 3101 Nr. 2 VV zu berechnen ist. Dies verdeutlicht der Autor anhand der entsprechenden Kostenberechnung.
Einen Ermäßigungstatbestand zu Lasten des Rechtsanwalts analog anzuwenden,...