1. Vorab: Viel Ahnung von Gebühren scheint der bestellte Pflichtverteidiger nicht zu haben. Denn es erschließt sich nicht, wie man bei dem Sachverhalt auf die Idee kommen kann, Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV abzurechnen. Denn tätig geworden ist der Rechtsanwalt im Verfahren über den Widerruf einer Strafe. Das ist Strafvollstreckung, sodass sich die Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 2 VV richten (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021 Vorbem. 4.2 VV Rn 5 ff.).
2. Zutreffend ist die von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vorgenommene Vergütungsfestsetzung. Im Einzelnen:
a) Eine Grundgebühr entsteht im Bereich der Strafvollstreckung nicht, die Nr. 4100 VV, die hier geltend gemacht war, gilt nämlich nur im Erkenntnisverfahren. Der Gebührentatbestand ist im Bereich der Strafvollstreckung nicht vorgesehen, und zwar auch nicht für den Rechtsanwalt, der den Verurteilten ggf. im Erkenntnisverfahren noch nicht vertreten hat (zu allem Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn 5 und Vorbem. 4.2 VV Rn 30 m.w.N.). Der Gebührentatbestand der Grundgebühr Nr. 4100 VV ist auch nicht entsprechend anwendbar.
b) Entsprechendes wie für die Grundgebühr Nr. 4100 VV gilt auch für die Terminsgebühr Nrn. 4102, 4103 VV (Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4.2 VV Rn 31).
c) Zu Recht hat die Rechtspflegerin daher "nur" die Gebühren Nrn. 4201 und 4203 VV festgesetzt; der Pflichtverteidiger steht sich übrigens wegen der verhältnismäßig hohen Verfahrensgebühr Nr. 4201 VV durch diese Festsetzung kaum schlechter, als wenn antragsgemäß festgesetzt worden wäre. Dass die Verfahrensgebühr Nr. 4201 VV entstanden ist, steht außer Frage. Aber auch die Terminsgebühr Nr. 4203 VV ist zu Recht gewährt worden. Denn bei den Terminsgebühren des Teil 4 Abschnitt 2 VV handelt es sich um "normale" Terminsgebühren, die nach Vorbem. 4 Abs. 3 VV für die "Teilnahme an gerichtlichen Terminen" entstehen. Anders als bei der sog. Terminsgebühr nach Nr. 4102 Nr. 3 VV für die Teilnahme des Rechtsanwalts an einem "Hafttermin" kommt es also nicht darauf an, ob in dem Termin, an dem der Rechtsanwalt hier teilgenommen hat, zur Frage der Haft "verhandelt" worden ist, was hier aber der Fall gewesen wäre.
3. Fazit: Alles in allem eine "schöne" Entscheidung des AG. Sie ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil es zu der vom AG zur Terminsgebühr entschiedenen Frage bislang keine Rspr. gegeben hat.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 11/2022, S. 514 - 515