Interessant ist dabei, dass dieser "Jugendamt first"-Grundsatz nun auch im Rahmen der PKH/VKH "Einzug" gefunden zu haben scheint. So hat jüngst das OLG Hamburg[7] – zur Prozesskostenhilfe (PKH) – ebenfalls eine Mutwilligkeit darin gesehen, einen Anwalt im Wege der PKH zu konsultieren, anstelle zunächst den Weg zum Jugendamt zu beschreiten. Mutwillig – so das OLG Hamburg – ist nach der Legaldefinition des § 114 Abs. 2 ZPO die Rechtsverfolgung, wenn eine Partei, die keine PKH beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Wenn in einem Umgangsverfahren ein Elternteil vor Inanspruchnahme des Gerichts keine Beratung oder Vermittlung durch das Jugendamt in Anspruch nimmt, kommt im Einzelfall die Ablehnung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) wegen Mutwilligkeit in Betracht.[8] Es ist dem Hilfsbedürftigen grds. zunächst abzuverlangen, dass er die ihm kostenfrei zugänglichen Angebote – insbesondere die Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes – zur Erreichung seines Zieles wenigstens versuchsweise wahrnimmt, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt.

Doch um welche "Ausnahmen" handelt es sich?

Zu nennen sind dabei in erster Linie Spezialfragen, die zur Beantwortung anstehen und die die (rechtlichen) Kompetenzen des Jugendamtes überschreiten. In einem solchen Falle dürfte der Verweis an das Jugendamt keinen adäquaten Ersatz bieten. Das OLG Hamburg – allerdings zur PKH – sieht eine Ausnahme dann, wenn zuvor erfolgte eigene Bemühungen fehlgeschlagen, erkennbar aussichtslos sind oder eine besondere Dringlichkeit die Inanspruchnahme rechtfertige.[9] Auch die "Überlastung" des Jugendamtes kann bei tatsächlich ausbleibender Beratung und Unterstützung eine solche Ausnahme darstellen. Für alle solche Ausnahmen gilt: Zur Vermeidung langer Diskussionen mit dem Gericht sollten zum Nachweis, dass eine (ansonsten) zumutbare Hilfe ausscheidet, ein entsprechendes Schreiben des Jugendamtes vorgelegt werden, welches die "Nichthilfe" bestätigt. Eine nur (erhoffte?) bessere tatsächliche Durchsetzungshilfe ("Druck- oder Drohpotential" eines anwaltlichen Briefkopfes als Beispiel) ist dabei aber allgemein nicht ausreichend, um eine ansonsten geeignete Stelle als weniger hilfreich zu erachten.

[8] So bereits: vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 7.4.2022 – 13 WF 52/22, juris Rn 8; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.1.2019 – 18 WF 5/19, juris Rn 13, NZFam 2019, 459; OLG Frankfurt, Beschl. v. 27.3.2017 – 2 WF 163/16, juris Rn 23, NZFam 2017, 628; Bartels, in: Dutta/Jacoby/Schwab, 4. Aufl., 2022, § 76 Rn 29.

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