1. Neufassung der Kostenentscheidungen durch den BGH
Der BGH hat die o.a. Kostenentscheidung des LG aufgehoben und hinsichtlich der Angeklagten D dahingehend neu gefasst, dass die Staatskasse die besonderen Auslagen des Verfahrens und die besonderen notwendigen Auslagen der Angeklagten, die wegen des Verdachts des (versuchten) Mordes und der fahrlässigen Körperverletzung bzw. der fahrlässigen Tötung entstanden sind, und die Angeklagte nur i.Ü. ihre notwendigen Auslagen und als Gesamtschuldner die Verfahrenskosten zu tragen haben. Hinsichtlich des Angeklagten P hat es die Kostenentscheidung dahingehend neu gefasst, dass die Staatskasse die besonderen Auslagen des Verfahrens und die besonderen notwendigen Auslagen des Angeklagten, die wegen des Verdachts des (versuchten) Mordes entstanden sind, und der Angeklagte nur i.Ü. seine notwendigen Auslagen und als Gesamtschuldner die Verfahrenskosten zu tragen haben. Zur Begründung bezieht sich der BGH auf die Ausführungen des GBA zu den Kostenbeschwerden. Der GBA hatte zu der Kostenbeschwerde der Angeklagten D ausgeführt:
2. Richtiger Ansatz des LG …
Das LG habe im Ansatz zutreffend erkannt, dass bei der Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung und vorläufigen Einstellung des weiteren Verfahrens gem. §§ 154, 154a StPO aufgrund der zur Hauptverhandlung zugelassenen und den Vorwurf des Mordes durch Unterlassen in Tatmehrheit mit fahrlässiger Körperverletzung zum Gegenstand habenden Anklage ob des darin liegenden fiktiven Teilfreispruchs (vgl. BGH, Beschl. v. 11.6.1991 – 1 StR 267/91) vom gravierenden Verbrechenstatbestand mit allein dazu eingeholten mehreren Sachverständigengutachten eine Entscheidung nach § 465 Abs. 2 StPO veranlasst gewesen sei. Im Grundsatz ebenfalls nicht fehlgehend habe es zu einer Bruchteilsentscheidung nach § 464d StPO optiert. In der Sache kann die Entscheidung aber gleichwohl keinen Bestand haben.
So lasse sie bereits nicht erkennen, dass sich das LG der Regelung des § 465 Abs. 2 S. 3 StPO bewusst gewesen sei, welche eine Billigkeitsentscheidung nach § 465 Abs. 2 S. 1 StPO auch für die notwendigen Auslagen der Angeklagten zulässt. Jene Möglichkeit sei vom LG nicht erwogen worden, obgleich dazu wie bei den Verfahrenskosten Veranlassung bestanden habe. Weiter erschließe sich die konkrete Quotierung [1/3 Angeklagte D, P und N als Gesamtschuldner und 2/3 Staatskasse] nicht, weil das LG nicht näher erläutert habe, von welchen Eckwerten es bei seiner Schätzung ausgegangen sei. Allein anhand der floskelhaft anmutenden Formulierung, mit der Abänderung des Schuldspruchs vom versuchten Mord durch Unterlassen in unterlassene Hilfeleistung sei ein erheblicher Erfolg erzielt worden, sei die Ermessensentscheidung des Tatrichters nicht durchschau- und überprüfbar. Insoweit wäre es vielmehr angezeigt gewesen, konkret bezogen auf den Tatvorwurf des versuchten Mordes durch Unterlassen die allein dadurch veranlassten besonderen Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen der Angeklagten festzustellen und diese ins Verhältnis zu denjenigen Auslagen der Staatskasse und notwendigen Auslagen der Angeklagten zu setzen, die bei einer Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem AG wegen des zur Verurteilung gelangten Straftatbestands angefallen wären (vgl. KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 465 Rn 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., 2022, § 465 Rn 7; Bader, in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, StPO, 103. EL, § 465, Rn 11; Degener, in: Systematischer Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 465 Rn 22 ff.).
4. Eigene Sachentscheidung
Der Senat verweist darauf, dass er eingedenk der vorstehend skizzierten unzulänglichen Tatsachenfeststellung im Urteil nicht gehalten sei, sich die für eine Kosten- und Auslagenentscheidung nach Bruchteilen maßgeblichen Feststellungen anhand des Akteninhalts selbst zu erschließen und eine neue Bruchteilsentscheidung zu treffen, die sodann den konkreten Umständen des Falls im vorgenannten Sinne Rechnung trage. Vielmehr könnte er die in Rede stehende Kosten- und Auslagenentscheidung – schlicht – aufheben und an die Vorinstanz zurückverweisen (vgl. BGH, Beschl. v. 4.12.1974 – 3 StR 298/74, BGHSt 26, 29). Im Ergebnis erscheine ein Absehen von einer Sachentscheidung jedoch nicht angezeigt, weil der Senat nicht auf eine Bruchteilsentscheidung festgelegt sei. Eine solche nach § 464d StPO zugelassene Verteilung der Auslagen der Staatskasse und der notwendigen Auslagen der Angeklagten sei nicht verpflichtend. Sie stehe im pflichtgemäßen Ermessen und erlaubt gerade in Fällen wie dem vorliegenden, bei dem die abgrenzbaren besonderen Auslagen nicht einfach zahlenmäßig zu bestimmen seien, weiterhin die Anwendung der Differenzmethode (vgl. KK-StPO/Gieg, a.a.O., § 464d Rn 3). Bei letzterer sei – lediglich – die Entstehungsursache der abzugrenzenden besonderen Auslagen im Rahmen der Kostenentscheidung zu benennen, worauf erst im Kostenfestsetzungsverfahren deren zahlenmäßige Bestimmung erfolgt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.,...