1. Gesetzliche Grundlage

Der Vergütungsanspruch des gerichtlich bestellten Sachverständigen gegen die Staatskasse bestimmt sich nach §§ 8 ff. JVEG. Gem. § 8 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige ein Honorar für seine Leistungen nach Maßgabe der § 9 bis 11 JVEG, Fahrtkostenersatz gem. § 5 JVEG, Entschädigung für Aufwand nach § 6 JVEG sowie Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen nach den §§ 7 und 12 JVEG. Gem. § 8 Abs. 2 S. 1 JVEG wird das Honorar, soweit es nach Stundensätzen zu bemessen ist, für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt. Dabei wird die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (§ 8 Abs. 2 S. 2 HS 1 JVEG). Das OLG Hamm hat darauf hingewiesen, dass die Höhe des Stundensatzes sich nach der Zugehörigkeit der Fachrichtung nach der in § 9 Abs. 1 JVEG i.V.m. der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG bestimmt.

2. Erforderlicher Zeitaufwand

Für die Berechnung der Vergütung des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist nach den weiteren Ausführungen des OLG Hamm nicht die tatsächlich aufgewendete, sondern nur die erforderliche Zeit maßgeblich. Als erforderlich sei nur derjenige Zeitaufwand anzusetzen, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen benötigt, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen abgeben zu können. Dabei sind der Umfang des ihm unterbreiteten Streitstoffes, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang seines Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache angemessen zu berücksichtigen (BGH MDR 2004, 776 = BauR 2004, 1184).

3. Überprüfung der Angaben des Sachverständigen

Nach den weiteren Ausführungen des OLG Hamm darf das Gericht zwar grds. davon ausgehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig seien. Dies habe jedoch nicht zur Folge, dass die Angaben des Sachverständigen jeglicher gerichtlicher Kontrolle entzogen seien. Vielmehr hat – so fährt das OLG Hamm fort – eine Plausibilitätsprüfung der Rechnung zu erfolgen (OLG Düsseldorf OLGR 2009, 219; OLG Brandenburg BauR 2011, 730; OLG Braunschweig FamRZ 2018, 380).

Nach Auffassung des OLG Hamm besteht ein Anlass zu einer solchen Überprüfung insbesondere dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (OLG Brandenburg, a.a.O.), die vorgelegte Zeiterfassung widersprüchlich oder unzureichend ist oder der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint und greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er außer jedem Verhältnis zu der tatsächlich erbrachten Leistung steht (OLG Hamm, Beschl. vom 8.7.2016 – 6 WF 336/15).

4. Nachprüfbare Rechnung des Sachverständigen

Um eine solche Überprüfung zu ermöglichen, muss nach den weiteren Ausführungen des OLG Hamm die Rechnung des Sachverständigen inhaltlich mehr ausweisen als nur den Endbetrag der Gesamtvergütung. Vielmehr habe der Sachverständige eine angemessene Aufschlüsselung der einzelnen Arbeitsschritte vorzunehmen und die jeweils darauf entfallenden Stunden und Minuten anzugeben, um eine Nachprüfbarkeit zu gewährleisten. Dies gilt nach Auffassung des OLG Hamm auch dann, wenn das JVEG insoweit keine Vorgaben enthält.

Anhand der von dem Sachverständigen mitgeteilten Aufgliederung des gesamten Zeitaufwandes kann das Gericht – so fährt das OLG Hamm fort – anhand allgemeiner Erfahrungswerte eine Plausibilitätsprüfung vornehmen (LSG Stuttgart Justiz 2005, 91). Komme der Sachverständige diesen Anforderungen nicht nach und erstelle er keine Aufgliederung der einzelnen Arbeitsschritte, so sei wegen der fehlenden Möglichkeit einer Plausibilitätsprüfung eine Vergütung nicht zu gewähren (LSG Essen, Beschl. v. 17.9.2015 – L 15 SB 183/15 B). Ist hingegen die vorgelegte Zeiterfassung des Sachverständigen widersprüchlich oder unzureichend, kann das Gericht nach den weiteren Ausführungen des OLG Hamm den Zeitaufwand schätzen und ggf. angemessen kürzen (OLG Zweibrücken NJW-Spezial 2015, 750; OLG Brandenburg BauR 2011, 1000).

5. Anlass zur Nachprüfung

Nach Auffassung des OLG Hamm bestand vorliegend ein Anlass, die Berechnung des Sachverständigen Diplom-Ingenieur O zu prüfen. Zum einen habe dieser den von ihm angesetzten Zeitaufwand für das "Aktenstudium" unzureichend dargelegt und aufgeschlüsselt. Zum anderen sei die von ihm angesetzte Stundenzahl verglichen mit den von den übrigen mit der Sache befassten Sachverständigen in Rechnung gestellten Aufwand für das "Aktenstudium" deutlich überhöht.

Das OLG Hamm hat darauf hingewiesen, dass der Sachverständige Diplom-Ingenieur O in seiner Rechnung vom 18.1.2022 für das "Aktenstudium" ohne nähere Differenzierung und Darlegung, welche e...

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