Leitsatz (amtlich)
1. Das Gericht ist gehalten, die vom Gerichtssachverständigen in Rechnung gestellte Vergütung einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Anlass zur Nachprüfung besteht insbesondere dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint.
2. Um eine Prüfung der Vergütungsabrechnung zu ermöglichen, ist der Sachverständige verpflichtet, eine Aufschlüsselung der einzelnen Arbeitsabschnitte mit dem hierfür verbundenen Zeitaufwand vorzunehmen.
3. Gibt das Gericht dem Sachverständigen im Rahmen der Prüfung der Vergütung auf, die mit den angesetzten Stunden verbundenen Arbeitsschritte näher zu konkretisieren und kommt der Sachverständige dieser Auflage nicht nach, kann dies eine Kürzung der erstattungsfähigen Vergütung auf ein angemessenes Maß zur Folge haben.
Normenkette
JVEG §§ 4, 8-9
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 2 O 341/12) |
Tenor
Die dem Sachverständigen Dipl.-Ing. O auf seinen Antrag vom 18.01.2022 zu gewährende Entschädigung wird auf 3.472,78 Euro festgesetzt.
Im Übrigen wird der Festsetzungsantrag zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der Antragsteller, Dipl.-Ingenieur auf dem Gebiet der Chemischen Verfahrenstechnik, ist mit Beweisbeschluss des Senats vom 07.06.2018 zum Sachverständigen für den Bereich Entsorgung und Verwertung von Abfällen (Bodenaushub und Abbruchmaterial) bestellt worden. Neben ihm hatte der Senat drei weitere Sachverständige, nämlich Dipl.-Geol. N für den Bereich Abbruch, Dipl.-Ing. P für den Bereich Bodenschutz/Sanierung sowie Dipl.-Geol. Q für die Koordination sämtlicher Sachverständiger bestellt.
Nach Erstattung eines gemeinsamen Gutachtens in schriftlicher Form haben die Sachverständigen im Hinblick auf Einwendungen der Parteien unter dem 30.11.2021 schriftliche Stellungnahmen abgegeben und ihr Gutachten im Senatstermin vom 13.01.2022 erläutert.
Mit Schreiben vom 18.01.2022 reichte der Antragsteller eine Honorarrechnung (Abschlagsrechnung) bezogen auf seine Tätigkeiten im Zeitraum von September 2021 bis Januar 2022 ein. Darin stellte er der Landeskasse unter anderem einen Zeitaufwand von 21,5 Stunden für das "Aktenstudium aller zur Verfügung gestellter Unterlagen für Gerichtsverhandlung September 2021 - Januar 2022", insgesamt einen Zahlbetrag in Höhe von 5.206,25 Euro brutto in Rechnung.
Die zuständige Kostenbeamtin wies unter dem 28.01.2022 nach Prüfung und Anhörung des Senats einen Betrag in Höhe von 3.472,77 Euro an. Dabei setzte sie für die geltend gemachte Position "Aktenstudium" statt der in Rechnung gestellten 21,5 Stunden lediglich 9 Stunden an.
Mit Schreiben vom 10.02.2022 erhob der Antragsteller gegen die Kürzung seiner Rechnung von 21 auf 9 für die Position "Aktenstudium" "Widerspruch" ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Stunden im Abrechnungszeitraum tatsächlich angefallen und notwendig gewesen seien, um in der Verhandlung absolut verhandlungssicher zu sein. Die vom Gericht angesetzten 9 Stunden seien offensichtlich willkürlich gewählt.
Unter dem 11.04.2022 nahm die Landeskasse zu dem Vorbringen des Antragstellers Stellung und erhob keine Einwände gegen die von dem Antragsteller abgerechnete Stundenzahl. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme Bl. 1702 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Mit Schreiben vom 11.05.2022 forderte der Vorsitzende den Antragsteller auf, hinsichtlich der angesetzten 21,5 Stunden für "Aktenstudium" im Einzelnen (unter Angabe der jeweiligen Zeitkontingente) darzutun, welche erforderlichen abrechnungsfähigen Handlungen hierunter gefallen sind.
Eine Stellungnahme des Antragstellers erfolgte nicht.
II. Der mit Schreiben des Antragstellers vom 10.02.2022 erhobene "Widerspruch" war als Antrag auf gerichtliche Festsetzung seiner Sachverständigenvergütung i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG auszulegen.
Der Antrag ist zulässig, hat jedoch nur im tenorierten Umfang Erfolg.
Der gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG zur Festsetzung der Entschädigung des Antragstellers befugte Senat hält unter Anwendung der §§ 8, 9 JVEG den von der Kostenbeamtin bereits angewiesenen Betrag in Höhe von insgesamt 3.472,78 Euro für angemessen.
Im Einzelnen:
1. Die von dem Sachverständigen geforderte Entschädigung ist nach Auffassung des Gerichts hinsichtlich der Position "Aktenstudium" übersetzt. Insoweit sind lediglich 9 statt in Rechnung gestellten 21,5 Stunden zu vergüten. Festzusetzen ist demnach für diese Position, unter Zugrundelegung des vom Antragsteller zutreffend gewählten Stundensatzes in Höhe von 115,00 Euro, ein Betrag in Höhe von 1.035,00 Euro netto.
Grundlage des hier zu beurteilenden Vergütungsanspruchs sind die §§ 8, 9, 12 JVEG. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige neben dem Ersatz von Fahrtkosten und Entschädigung für sonstigen Aufwand (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 JVEG) für seine Leistung ein Honorar, das nach Stundensätzen zu bemessen ist. Die Höhe des Stundensatzes variiert je nach der Zugehörigkeit ...