1. Das Problem
Es kommt in der Praxis regelmäßig vor, dass der Gläubigeranwalt bei einem gemeinschaftlichen Anspruch gegen mehrere Schuldner, die z.B. zu jeweils 1/2-Anteil im Grundbuch als Eigentümer eingetragen sind, die Zwangsversteigerung der gesamten Immobilie beantragt. Wie bereits das LG Tübingen zuvor (AGS 2022, 223) bei Vertretung eines Gläubigers in einem Zwangsversteigerungsverfahren gegen Gesamtschuldner, hat nun auch der BGH entschieden, dass in einem solchen Fall nur eine gebührenrechtliche Angelegenheit vorliegt, sodass der Rechtsanwalt als Gläubigervertreter nur eine 0,4-Verfahrensgebühr nach Nr. 3311 VV aus dem einfachen Wert des zu vollstreckenden Gesamtbetrags (§ 26 Nr. 1 RVG) beanspruchen kann. Die Entscheidung gibt Anlass die Tätigkeiten von Rechtsanwälten als Vertreter im Zwangsversteigerungsverfahren und die damit verbundenen Gebühren näher zu beleuchten.
2. Grundsatz: Mehrere Versteigerungsverfahren = mehrfache Gebühren
Der BGH konstatiert, dass es sich bei der Zwangsversteigerung mehrerer Miteigentumsanteile an einem Grundstück um mehrere voneinander getrennt zu betrachtende Verfahren handelt. Dadurch entstehen die Gebühren für einen Anwalt als Gläubigervertreter folglich auch mehrfach. Da einmal entstandene Gebühren nicht mehr wegfallen können (vgl. § 15 Abs. 4 RVG), hindert eine – nachträgliche – Verfahrensverbindung nach § 18 Alt. 3 ZVG grds. Nichts an diesem Grundsatz. Dies bedeutet, dass die (nachträgliche) Verbindung mehrerer Zwangsversteigerungsverfahren auch nicht dazu führt, dass von Anfang an verfahrens- und gebührenrechtlich nur ein Verfahren vorliegt.
3. Eine Angelegenheit bei Versteigerung gegen Gesamtschuldner
Den vorgenannten Grundsatz durchbricht der BGH allerdings, indem er eine gebührenrechtliche Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG dann annimmt, wenn ein Rechtsanwalt den Gläubiger in einem Zwangsversteigerungsverfahren über mehrere Bruchteile eines Grundstücks wegen einer Forderung vertritt, für die die Miteigentümer als Gesamtschuldner haften. In der Praxis sind dies die Fälle, in denen z.B. bei Eheleuten wegen eines gemeinsam aufgenommenen Darlehns zugunsten des finanzierenden Kreditinstituts eine Gesamtgrundschuld auf jedem Miteigentumsanteil eingetragen wird.
Der BGH hat zuletzt in seinem Beschl. v. 6.6.2019 (I ZR 150/18, RVGreport 2019, 414 [Hansens]) entschieden, dass weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen regelmäßig dieselbe Angelegenheit betreffen, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Dabei kann ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit auch dann noch vorliegen, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben erfüllen muss. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird.
Diese Voraussetzungen lagen im entschiedenen Fall vor, da der Anwalt des Gläubigers damit beauftragt wurde, die gegen die Gesamtschuldner titulierte Gesamtforderung durch einen Zwangsversteigerungsantrag zu realisieren.
In diesem Zusammenhang hat der BGH auch gleichzeitig klargestellt, dass eine Wertaddition der verschiedenen Miteigentumsanteile nach § 22 Abs. 1 RVG ausscheidet, da aufgrund der Gesamtschuldnerhaftung die Gegenstände wirtschaftlich identisch sind (BGH AGS 2011, 77).
4. Unterschiedliche Vollstreckungsverfahren beachten
Zur Begründung seiner Entscheidung weist der BGH auf die Unterschiede in der Mobiliarvollstreckung und der Immobiliarvollstreckung (Zwangsversteigerung) hin.
a) Mobiliarvollstreckung, Vollstreckung nach §§ 887 ff. ZPO
Hier liegen gem. § 18 Abs. 1 RVG mehrere besondere gebührenrechtliche Angelegenheiten vor, wenn ein Rechtsanwalt trotz eines einheitlichen Auftrags gegen mehrere Gesamtschuldner vollstreckt. So stellt z.B. jeder gegen einen von mehreren Schuldnern gerichtete Antrag nach § 887 Abs. 1, 2 ZPO eine Vollstreckungsmaßnahme dar, die jeweils eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 RVG VV anfallen lässt (BGH MDR 2007, 367).
b) Zwangsversteigerung
Im Zwangsversteigerungsverfahren wird die Entstehung der Gebühren hingegen nicht in § 18 Abs. 1 RVG, sondern in den Sonderregelungen der Nrn. 3311 und 3312 VV geregelt. Hieraus zieht der BGH den – nicht nachvollziehbaren – Schluss, dass dann eigenständig nach den allgemeinen zu § 15 Abs. 2 RVG entwickelten Kriterien zu bestimmen ist, ob es sich bei einem gegen mehrere Schuldner gerichteten Antrag um mehrere oder nur um eine gebührenrechtliche Angelegenheit handelt.
Dies führt in Fällen wie dem entschiedenen dazu, dass bei einer gesamtschuldnerischen Haftung regelmäßig davon auszugehen ist, dass bei einer Ver...