§§ 103, 104, 106 ZPO; § 1360a Abs. 4 BGB
Leitsatz
- Bei einer Kostenausgleichung kommt die Anrechnung eines unstreitig gem. § 1360a Abs. 4 BGB geleisteten Verfahrenskostenvorschusses im Kostenfestsetzungsverfahren dann in Betracht, wenn der Vorschuss den Kostenerstattungsanspruch des Erstattungsberechtigten übersteigt.
- Die Anrechnung erfolgt nur insoweit, als der Vorschuss und der Kostenerstattungsanspruch zusammen über die dem Empfänger des Vorschussanspruchs insgesamt entstandenen Kosten hinausgehen.
- Eine Anrechnung kann nur auf den Kostenerstattungsanspruch derjenigen Instanz erfolgen, für die der Vorschuss gezahlt worden ist.
OLG Celle, Beschl. v. 24.8.2023 – 10 WF 135/23
I. Sachverhalt
Nach der erstinstanzlichen Entscheidung des FamFG Hannover haben die Kosten der ersten Instanz die Antragstellerin zu 16 % und der Antragsgegner zu 84 % zu tragen. Die Kosten des vor dem OLG Celle geführten Beschwerdeverfahrens hat – nach Rücknahme der Beschwerde – der Antragsgegner in vollem Umfang zu tragen. Aufgrund der gerichtlichen Wertfestsetzung beträgt der Verfahrenswert für die erste Instanz bis zu 16.000,00 EUR und für die Beschwerdeinstanz bis zu 7.000,00 EUR.
Der Rechtspfleger des AG Hannover – FamG – hat durch Kostenfestsetzungsbeschl. v. 1.6.2023 die von dem Antragsgegner an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten beider Instanzen auf insgesamt 3.238,29 EUR festgesetzt. Der – nach Ausgleichung – ermittelte Kostenerstattungsanspruch für die erste Instanz beträgt 2.365,31 EUR, derjenige für die zweite Instanz 872,98 EUR.
Mit seiner hiergegen eingereichten sofortigen Beschwerde hat der Antragsgegner geltend gemacht, der Rechtspfleger habe den unstreitig von ihm für die erste Instanz an die Antragstellerin gezahlten Verfahrenskostenvorschuss i.H.v. 3.131,85 EUR nicht berücksichtigt. Dieser sei von dem zu erstattenden Betrag in Abzug zu bringen, sodass sich nur noch ein festzusetzender Betrag i.H.v. 106,44 EUR ergebe.
Das AG Hannover – FamG – hat der sofortigen Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, der Antragsgegner habe eine materiell-rechtliche Einwendung vorgebracht, die grds. außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens – etwa im Wege der Vollstreckungsabwehrklage – geltend zu machen sei.
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hatte beim OLG Celle überwiegend Erfolg.
II. Berücksichtigung materiell-rechtlicher Einwendungen
Der mit dem Kostenfestsetzungsverfahren befasste Rechtspfleger hat zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Kostenfestsetzung nach den §§ 103 ff. ZPO erfüllt sind. So erstreckt sich seine Prüfung darauf, ob der Kostenfestsetzungsantrag formell ordnungsgemäß ist, ob eine Kostengrundentscheidung vorliegt, die die begehrte Kostenfestsetzung rechtfertigt, ob die zur Festsetzung angemeldeten Anwaltskosten entstanden und erstattungsfähig sind. Diese Prüfung erfolgt unter rein prozessualen, gebührenrechtlichen und erstattungsrechtlichen Gesichtspunkten. Dies hat seine Grundlage darin, dass mit dem beantragten Kostenfestsetzungsbeschluss die Kostengrundentscheidung betragsmäßig umgesetzt werden soll.
Demgegenüber hat der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren grds. keine materiell-rechtliche Prüfung vorzunehmen, sodass er auch über materiell-rechtliche Einwendungen des Erstattungspflichtigen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu entscheiden hat. Insoweit ist die Partei des Kostenfestsetzungsverfahrens, die einen materiell-rechtlichen Einwand erhebt, darauf verwiesen, diesen Einwand außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend zu machen, etwa im Wege der Bereicherungsklage oder der Vollstreckungsabwehrklage. Aus verfahrensökonomischen Gründen wird von diesem Grundsatz eine Ausnahme dann gemacht, wenn die Voraussetzungen der materiell-rechtlichen Einwendungen zwischen den Parteien des Kostenfestsetzungsverfahrens unstreitig sind oder diese sich ohne Weiteres aus den Gerichtsakten entnehmen lassen.
Ohne auf diese vorstehend erörterten Grundsätze einzugehen, hat das OLG Celle den von dem Antragsgegner erhobenen Einwand, nämlich die Zahlung des Verfahrenskostenvorschusses nach § 1360a Abs. 4 BGB, berücksichtigt.
III. Verfahrenskostenvorschuss bei Kostenausgleichung
1. Grundsätze
Eine Anrechnung eines unstreitig geleisteten Verfahrenskostenvorschusses kommt nach Auffassung des OLG Celle bei einer Kostenausgleichung im Kostenfestsetzungsverfahren nur dann in Betracht, wenn der Vorschuss den Kostenerstattungsanspruch des Empfängers (hier: der Antragstellerin des Ausgangsverfahrens) übersteigt. In einem solchen Fall erfolge jedoch keine vollständige Anrechnung des Verfahrenskostenvorschusses auf den Kostenerstattungsanspruch. Vielmehr sei eine Verrechnung nur insoweit vorzunehmen, als der Vorschuss und der Kostenerstattungsanspruch zusammen über die der Empfängerin des Vorschusses insgesamt entstandenen Kosten hinausgehen. Insoweit hat sich das OLG Celle auf die grundlegende Entscheidung des BGH (RVGreport 2010, 152 [Hansens] = JurBüro 2010, 252) bezogen. Ferner hat das OLG Celle darauf hingewiesen, dass eine Anrechnung des Verfahrenskostenvorschusses nur auf den Kostenerstattungsanspruch derjenigen Instanz erfolgen kann,...