1. Die Entscheidung wird beim Betroffenen und seinem Verteidiger zu erheblichem Unmut geführt haben. Da macht die Staatsanwaltschaft einen Fehler, der zum Beginn der Vollstreckung gegenüber dem Betroffenen führt, wogegen sich der Betroffene erfolgreich wehrt. Und dann lässt man den Betroffenen auf den entstandenen Kosten sitzen. Denn anders kann man die Entscheidung nicht werten. Der Verweis auf bestehende Amtshaftungsansprüche ist zwar zutreffend, aber soll der Betroffene nun wirklich, um sich schadlos zu halten, den steinigen Weg einer Amtshaftungsklage gehen? Die Antwort: Er wird wohl müssen, wenn er nicht auf den Anwaltskosten für das Vollstreckungsverfahren (Anm. Abs. 4 zu Nr. 5200 VV) sitzen bleiben will, mit allen Unwägbarkeiten, die ein solches Verfahren mit sich bringt. Denn:
2. In der "1. Instanz" des Vollstreckungsverfahrens, werden, wenn ein Einwand des Betroffenen erfolgreich ist, ggf. beim Betroffenen entstandene Auslagen nicht erstattet. Die Rechtslage ist hier wie im Strafverfahren in der Vollstreckung. Auch da gibt es keine Kostenerstattung im Vollstreckungsverfahren der 1. Instanz (s. Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4.2 Rn 63 m.w.N.). Das ist weitgehend einhellige Meinung der OLG (vgl. die Nachw. bei Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., und auch noch OLG Braunschweig, Beschl. v. 15.10.2014 – 1 Ws 267/14). Nur das OLG Hamm hat vor längerer Zeit mal eine andere Auffassung vertreten (vgl. NStZ 1984, 288), hat sich damit aber nicht durchsetzen können. Die Verurteilte/Betroffene bleibt also in der Tat auf seinen Kosten sitzen.
3. M.E. ist das ein Stelle, an der der Gesetzgeber tätig werden müsste. Denn es ist nicht einzusehen, warum der Betroffene/Verurteilte, wenn er im erstinstanzlichen Vollstreckungsverfahren mit "Rechtsmitteln" und/oder Einwänden Erfolg hat, die insoweit bei ihm entstandenen Kosten nicht ersetzt bekommen soll. Es handelt sich zwar nicht um eine das Verfahren abschließende Entscheidung i.e.S. des § 464 StPO, aber: Der Betroffene/Verurteilte hat Erfolg, sodass nach allgemeinen Grundsätzen die Gegenseite, i.d.R. im Strafverfahren die Staatsanwaltschaft und oder die Verwaltungsbehörden im Bußgeldverfahren, die Auslagen zu tragen haben müsste.
4. Nur zur Klarstellung: Im Kostenbescheid des Regierungspräsidiums hatte es geheißen, dass mit der Mahnung vom 4.5.2023 und der Vollstreckungsankündigung vom 29.5.2023 das Vollstreckungsverfahren noch nicht begonnen habe. Diese Verfügungen hätten der Vorbereitung der Vollstreckung gedient, hätten aber noch keine Vollstreckungsmaßnahme dargestellt. Daher liege noch keine besondere Angelegenheit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG und damit auch keine vom Bußgeldverfahren abgrenzbare verschiedene Angelegenheit nach § 17 Nr. 4 c) RVG vor. Diese Auffassung ist das AG zu Recht nicht gefolgt. Denn das Vollstreckungsverfahren wird im Bußgeldverfahren auch für den Rechtsanwalt, der den Betroffenen verteidigt hat, als (besondere) Einzeltätigkeit angesehen (Anm. Abs. 4 zu Nr. 5200 VV). Die hatte mit der Androhung der Vollstreckung begonnen (Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 5200 VV Rn 7).
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 11/2023, S. 510 - 511